Im Affekt: Die Hand des Gentleman

Nr. 19 –

Der Po der Prinzessin – oder, genauer gesagt, die Hand des französischen Künstlers Jean-Claude Arnault auf dem Po der schwedischen Kronprinzessin Victoria – hat zur Folge, dass der Literaturnobelpreis dieses Jahr nicht vergeben wird. Das weltweite Entsetzen ist gross. Allerdings weniger über die Hand auf dem Po als über das Aussetzen des Preises. Ein verärgerter «Zeit»-Leser schreibt in einem Onlinekommentar: «Unter dieser ‹symbolischen› Entscheidung müssen aber sehr viele Menschen leiden, die überhaupt nicht dafür verantwortlich sind. Wegen Belästigungen einer einzigen Person alle anderen ebenfalls zu bestrafen, ist absurd und unmoralisch!»

Man denke an alle AutorInnen, die dieses Jahr ihre Hoffnung auf einen Nobelpreis begraben müssen, an die FeuilletonistInnen, die kommenden Oktober nicht wissen, womit sie ihre Seiten füllen sollen, und an die BuchhändlerInnen, denen ein lukratives Geschäft durch die Lappen geht – was die nun leiden. Und das alles nur wegen dieser einzigen Person: Jean-Claude Arnault, der Ehemann von Katarina Frostenson, schwedische Lyrikerin und Akademiemitglied, war trotz Schweigepflicht mehrmals vorzeitig über die GewinnerInnen informiert gewesen, die Akademie hatte über Jahre hinweg ein von ihm kommerziell betriebenes Kulturforum bevorschusst, und schliesslich hatten ihn bereits vergangenen November achtzehn Frauen sexueller Übergriffe bezichtigt. Seither kommt die Akademie nicht zur Ruhe. Von den achtzehn auf Lebzeit gewählten Mitgliedern sind so viele zurückgetreten, dass die Akademie nicht mehr beschlussfähig ist. Der schwedische König hat sich eingeschaltet – derweil Prinzessin Victoria sich nicht zu dem 2006 geschehenen und vor kurzem publik gewordenen Vorfall äussert. Noch 2016 lobte übrigens Horace Engdahl, ehemaliger Ständiger Sekretär der Akademie, seinen Freund Arnault als «Vorbild in Sachen Lebensstil». Wie kaum ein anderer verstehe es Arnault, gut zu leben: «Er sollte eine Stilschule für junge Männer machen: Werdet nicht Hipster – werdet Gentlemen!»

In diesem Fall bevorzugen wir doch alle die Hipster.