Zweiter Weltkrieg: Die alte Rassenlogik

Nr. 19 –

Er war der Sekretär von James Schwarzenbach, der die «Überfremdungsinitiativen» lancierte, er sass im Vorstand der «Arbeitsgruppe südliches Afrika», die die Apartheid unterstützte, er ist Mitglied des Egerkinger Komitees für ein Minarett- und neu auch für ein Burkaverbot, und er gibt die rechtsnationale «Schweizerzeit» heraus – kurz: Wenn die fremdenfeindliche Tradition der Schweiz einen Namen trägt, dann heisst sie Ulrich Schlüer. Nun versucht er, die restriktive Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg zu relativieren.

«Schweiz-Diffamierung als Schulfach?», machte Schlüer in der «Schweizerzeit» Stimmung gegen das neue Lehrmittel «Verfolgt und vertrieben». Er schrieb zusätzlich einen offenen Brief an die BildungsdirektorInnen, in dem er dessen Rückzug forderte. Dabei macht das Lehrmittel fast alles richtig: Es erzählt die Eskalation der nationalsozialistischen Verfolgung aus den Augen von vier Kindern und weckt so die Empathie der PrimarschülerInnen. Entsprechend wurde das Lehrmittel mit dem Bigler-Preis für Holocaust-Education ausgezeichnet. Bloss in einer Aufgabe steht die Formulierung, die Schweiz habe den Vorschlag für den J-Stempel gemacht.

Der Judenstempel ebenso wie die Zahl abgewiesener Flüchtlinge an der Grenze dienen rechtsnationalen HistorikerInnen immer wieder als Anlass für ihren Geschichtsrevisionismus. Zwar ist es formal korrekt, dass das NS-Regime den Vorschlag für den Judenstempel machte. Dies allerdings erst, nachdem die Schweiz 1938 Verhandlungen mit Deutschland aufgenommen hatte, um Massnahmen für die Unterscheidung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Staatsangehörigen zu erwirken. Für die Schweiz galten JüdInnen in der Zeit des Nationalsozialismus nicht als politische Flüchtlinge.

Der Lehrmittelverlag Zürich will nach Schlüers Polemik die ungenaue Formulierung korrigieren. Es ändert nichts am entscheidenden Punkt, den die RevisionistInnen letztlich negieren wollen: Die Schweizer Flüchtlingspolitik folgte schon vor dem Krieg antisemitischen Kriterien, mit der Zustimmung zum Judenstempel übernahm der Bundesrat die Rassenlogik der Nazis.