LeserInnenbriefe

Nr. 20 –

Es war überfällig

«Durch den Mai mit Karl Marx (2): Adlige Revolutionärin», WOZ Nr. 19/2018

Besten Dank für die Wertschätzung von Jenny Marx, es war überfällig! Im Übrigen hat die französische Politikerin Françoise Giroud (1916–2003), Ministerin unter Giscard d’Estaing sowie Mitbegründerin der Wochenzeitung «L’Express», schon im Jahr 1992 eine hin- und mitreissende Biografie geschrieben, erschienen als DTV-Taschenbuch «Das Leben der Jenny Marx».

Barbara Rudolf, Bremgarten bei Bern

Kritik ist überzogen

«Autonome Räume – Freiraum allzu pragmatisch besetzt», WOZ Nr. 15/2018

Die Ausstellung «68–88–18. Freiraum in Basel. Filme und Videos» wurde in der WOZ kritisch besprochen. Auf drei Punkte wollen wir reagieren.

1. Der Artikel schliesst mit der Pointe, die Ausstellung trage zur Gentrifizierung mitten im Rotlichtviertel bei. Wir befinden uns im «Clarahuus», das an die «Toleranzzone» angrenzt. An der Stelle stand bereits in den 1960ern ein Warenhaus; das Kleinbasler Rotlicht leuchtet seit Jahrzehnten direkt neben den Kommerztempeln rund um den Claraplatz. Und nun soll sich unsere Ausstellung ungünstig auf das Milieu auswirken? An unserem Standort halten wir vielmehr für ein Politikum, dass in der belebtesten Mitte dieser «engen» Stadt enorme Flächen ganzjährig praktisch ungenutzt sind. Dies, genauso wie die Begegnungen mit den SexarbeiterInnen, ist für viele unserer BesucherInnen neu und beschäftigt sie.

2. Die Autorin zeigt sich enttäuscht vom Material und wittert ein «Lob legaler Zwischennutzungen». Als (medien-)historisches Sammlungs- und Vermittlungsprojekt interessiert uns die Vielfalt der Produktionskontexte und Freiraumformen. Dazu gehören Sendungen des «bürgerlichen Farbfernsehens» genauso wie Handyvideos, «legale» genauso wie «illegale» Freiräume. Ausgangspunkt der Recherchen war die (Gegen-)Öffentlichkeitsarbeit der Videogenossenschaft Basel, der Quartierfilmgruppe Kleinbasel, der POB und anderer. Darunter mag kein zweites «Züri brännt» (1980) sein. Doch für den Film- und Videoaktivismus der 1970er/80er ist das präsentierte Material charakteristisch. Auch in Bern, Genf oder Berlin fänden sich allenfalls Referenzen, aber schwerlich ein Pendant zu jenem Ausnahmewerk des Videoladens Zürich.

3. Während die vorgeschlagene Historisierung gewiss ihre Fehler und Lücken hat, war es uns ein Anliegen, allen AkteurInnen mit Respekt zu begegnen. Dies gilt auch für den Wagenplatz. Dass wir ihn der Lächerlichkeit preisgäben, dagegen verwahren wir uns. Er wird zweimal prominent thematisiert (Nt- und Hafen-Areal), davon einmal anhand eines Selbstzeugnisses. Darüber schweigt sich die Autorin aus. Sie hebt stattdessen einfach die isolierte Aussage eines Gesprächsgastes (Thomas Kessler) hervor.

Das Ausstellungsteam «68–88–18»

Die WOZ hilft nicht

«Sexdossier», WOZ Nr. 17/2018

Gewiss, der heutige Mensch hat es nicht leicht, seine Körperlichkeit zu verstehen. Doch nicht verzweifeln, die WOZ hilft. Dreizehn Seiten widmet die WOZ diesem Thema. Je mehr ich mich darin vertiefe, desto mehr überkommen mich Zweifel, ob diese Hilfe greift. Mir fehlt der Kompass. Die Basis des guten Handelns liegt nach Ansicht von Immanuel Kant im Sittengesetz. Wenn der Wille sich nicht autonom bestimmt, ist der Mensch unfrei. Dann nehmen Triebe und Leidenschaften überhand. Solches ist kein dauerhaftes Fundament für das Zusammenleben von Mann und Frau. Das Mitfühlen, die Empathie, bleibt auf der Strecke. Der christliche Leitsatz «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» wird ausgeblendet. Talente bleiben ungenutzt und verpuffen. Dem Nachwuchs fehlt die Nestwärme. Es scheint der heutige Mensch weiterhin aus dem Paradies verstossen.

Max Brodmann, Reinach