Theater: Vom Laufsteg in die Modehölle

Nr. 20 –

Sind sie unbeschriebene Blätter oder einfach mit allen Wassern gewaschen? Ganz in Weiss, stürmen die drei wie Derwische über den ebenfalls weissen Laufsteg, der in den samtroten Publikumsraum hineinragt: Da ein Nike-Schwung, dort drei Adidas-Streifen, reden sie stossweise in Tweet- und Hashtagsätzen, blecken die Zähne und recken Hände und Beine zu immer neuen Posen – für die Kamera, für Instagram. Wenn es das Wort «Spielfreude» nicht schon gäbe, müsste man es erfinden für diese drei SchauspielerInnen des Jungen Theaters Basel: Lee-Ann Aerni, Ann Mayer und Lukas Stäuble.

Nach einem Text von Güzin Kar übersetzen Regisseur Sebastian Nübling und seine Crew die Modewelt in ein atemloses, irrwitziges und unerschrockenes Bühnenstück: die schrillen Fashion Victims genauso wie die schonungslosen Wahrheiten über diese «innovativste Branche der Weltwirtschaft» (Programmheft). Inspiriert von der gleichnamigen norwegischen Webserie «Sweatshop – Deadly Fashion», knallen hier Modehimmel und -hölle funkenwerfend aufeinander.

Nach der Eingangssequenz nimmt man uns per Videoübertragung mit hinter die Kulissen (Bühne: Dominic Huber): in ein Labyrinth der Liftkabinen und Containerboxen, wo eine unterbezahlte Vietnamesin an der Nähmaschine schuftet. Als Höhepunkt flackert hier ein einsames Lagerfeuer am Ende der Menschheit und erzählen zwei Cowboyroboter vom Untergang der Zivilisation, als der ultimative Black-Friday-Ausverkauf im finalen Blackout endete.

Ein hohläugiges Wesen, das einem Horrorfilm entsprungen scheint, zählt dann die Untaten von Modeindustrie und uns willigen KonsumentInnen auf. Vom T-Shirt für 29 Franken gehen gerade einmal 18 Rappen an die Näherin – wären es nur 10 Rappen mehr, könnte sie ein menschenwürdiges Leben führen. «Ischmirdochegal!», ruft das Modeopfer im Kaufrausch, um dann doch nachdenklich zu werden. Zum Schluss wird sogar wirksam Realpolitik ins Theater gekippt – und ein Banner für die Konzernverantwortungsinitiative an die Neonröhre des Sweatshops gepinnt.

«Sweatshop – Deadly Fashion» in: Zürich, Schauspielhaus. www.schauspielhaus.ch