Kost und Logis: Schoggikuchen mit Gummibärli

Nr. 22 –

Karin Hoffsten über das Wesen zeitgenössischer Kindergeburtstage

Drei Tage vor einem lang geplanten Besuch erinnerte mich meine Freundin per SMS daran, dass Luca, ihr Jüngster, während meines Besuchs drei Jahre alt würde. Obwohl ich den Knaben und seine sechsjährige Schwester Emily schon seit ihrer Geburt kenne, hatte ich das Datum vergessen.

O wie schön, ein Kindergeburtstag, freute ich mich, denn kinderlos, wie ich bin, erlebe ich so was selten; doch ich höre häufig, dass sich die Standards in den letzten Jahren stark verändert haben. Und damit meine ich nicht nur jene Fälle, in denen halbe Kindergartenklassen von Ronald McDonald bespasst oder im Skills Park über einen Parcours gescheucht werden. Auch die privaten Festlichkeiten, die man an den Luftballons an Haustür und Zaun erkennt, haben enorm an Umfang zugenommen.

In vielen Familien darf das Geburtstagskind nur so viele Kinder einladen, wie es Jahre alt wird, denn es ist Usus, nicht nur das Jubelkind selbst, sondern – zwecks Eifersuchtsdämpfung – auch dessen kleine Gäste und Geschwister zu beschenken. Zudem wird nicht nur in der engen Familie gefeiert, sondern auch in Kindergarten und Schule, und wenn Opa, Oma und fernere Verwandte erst am Wochenende kommen können, gleich noch mal mit diesen. So kommt ein Kind durchschnittlich auf drei Feste und entsprechende Geschenkberge.

Meine Freundin hat einen hoch qualifizierten Hundertprozentjob. In der Nacht backte sie je einen Schokoladenkuchen für Tag 1 (Familie und ich), Tag 2 (drei kleine Freundinnen, Tante, Onkel, Cousin und Cousine) und am Sonntagabend einen für Tag 3 im Kindergarten. Jeden Kuchen überzog sie mit einem köstlichen Schokoladenguss, in dem sie Gummibärchen und Smarties versenkte. Ausserdem hatte sie Bastelwerk hergestellt, mit dem ich für Tag 2 den Garten dekorierte. Ihr Lebenspartner und Vater der Kinder räumte den Garten auf, dachte sich Spiele aus und bastelte mit den Kindern Wasserbomben.

Am eigentlichen Geburtstag türmten sich im Garten die Geschenkpakete. Auf ihres hatte Emily wacklig, aber korrekt «von emily für luca» geschrieben, doch der Kipplader gefiel ihr selbst so gut, dass sie ihn dem Bruder – unter dessen tränenreichem Gekreisch – mehrfach entriss mit dem Argument, schliesslich habe sie ihm den geschenkt. Geduldig erklärte die Mutter, dass Geschenke bei Übergabe in den Besitz des oder der Beschenkten übergehen, und sie – Emily – habe doch auch was Schönes bekommen. Doch im Auge der Eifersucht bemüht die Schönheit sich vergebens.

Am Abend schlug ich vor, den Kuchen für Tag 3 könne man doch auch kaufen. Der Lebensgefährte stimmte mir zu, und schon durchwehte eine leise Krisenstimmung die wohnliche Küche. Nach jedem Geburtstag im Kindergarten habe Emily stolz erzählt, wie gut den andern Kindern der selbstgebackene Kuchen geschmeckt habe, erklärte sie ihm. Und mit den Worten, dass er das so nie werde erleben können, begann sie, den Teig zu rühren.

Karin Hoffsten mag Kinder gern. Ihre Entscheidung, selbst keine zu haben, bedauert sie bis heute nicht.