Nukleares: Nicht informieren ist fast wie lügen

Nr. 22 –

Letzte Woche hat das Bundesverwaltungsgericht das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) gerügt. Es muss im Fall des AKW Mühleberg nachbessern. Was nicht mehr relevant ist, weil Mühleberg 2019 abgeschaltet wird.

Der Entscheid ist aber wegen Beznau wichtig: Es geht um die Frage, wie viel Radioaktivität das alte AKW bei einem schweren Erdbeben freisetzen darf. Nach heutiger Rechtslage nicht viel, nämlich ein Millisievert. Die Berechnungen sagen aber, dass weit mehr rauskommen könnte. Damit müsste das AKW sofort vom Netz. AnwohnerInnen und Umweltorganisationen haben deshalb geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht wird entscheiden müssen.

Nun hat das Bundesamt für Energie Anfang Jahr die revidierte Kernenergieverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Da steht nun plötzlich drin, dass nicht ein, sondern 100 Millisievert (mSv) gelten sollen. Die Unterlagen gingen an Dutzende von Organisationen. Niemand hat sie verstanden, weil sie nicht zu verstehen sind. Das schreibt sogar die Kommission für Strahlenschutz (KSR), ein Beratungsgremium des Bundesrats: Der Grenzwert von 100 mSv werfe verschiedene Fragen auf, die «in den Vernehmlassungsunterlagen nicht begründet beziehungsweise geklärt wurden». Die Kommission lud Rosa Sardella – die Strahlenschutzchefin des Ensi – ein, um die fehlenden Informationen einzuholen. Die KSR kann das, alle andern lässt das Ensi auflaufen, wenn man eine Erklärung haben möchte. Aber egal.

Die Schlussfolgerung der KSR ist unmissverständlich. Sie hält den Grenzwert von 100 mSv für «nicht angemessen» und fordert einen von «20 bis 50 mSv». Das könnte das Ende für Beznau bedeuten, weil das AKW bei einem schweren Unfall voraussichtlich zwischen 60 und 80 mSv freisetzen würde. Demnach müsste es sofort vom Netz. Nun wird der Bundesrat entscheiden müssen, ob er auf sein eigenes Beratungsgremium hört oder auf die Ensi-Leute, die sich darauf kaprizieren, zu verschweigen, was heikel sein könnte. Und das Bundesverwaltungsgericht tut auch gut daran, wenn es vor seinem Beznau-Entscheid die KSR-Stellungnahme liest.