US-Migrationspolitik: Gewöhnung an das Hässliche

Nr. 25 –

Noch scheinen die Bilder aus Texas die meisten US-AmerikanerInnen zu empören: Bilder von Hunderten an der Grenze aufgegriffenen Kindern, die in einer riesigen Lagerhalle in Käfigen gefangen gehalten werden. Getrennt von ihren Eltern, die teils bereits in ihre mittelamerikanischen Herkunftsländer ausgeschafft wurden. Seit vergangenem Freitag berichten verschiedene Medien zudem von beklemmenden Einzelschicksalen: etwa von einer Mutter, deren Kind ihr entrissen wurde, während sie gerade am Stillen war. Oder von einem Vater, der Selbstmord beging, nachdem er von seinem Kind getrennt worden war. Mehrere Tausend Kinder und Jugendliche sind derzeit entlang der US-mexikanischen Grenze in solchen Zentren untergebracht. Zehntausende könnten es bis zum Ende des Sommers werden.

All das ist Konsequenz einer Nulltoleranzstrategie, mit der die Regierung von Präsident Donald Trump ihre versprochene Kompromisslosigkeit an der südlichen Landesgrenze demonstriert. Anders als unter früheren Regierungen kommt eine Regelung aus den neunziger Jahren, die einen rücksichtsvollen Umgang mit minderjährigen MigrantInnen vorschreibt, jetzt nicht mehr zur Anwendung. Die Folge sind Familientrennungen und die separate Internierung der Betroffenen.

Selbst aus konservativen Kreisen ist Widerspruch gegen die unmenschlichen Zustände an der Grenze zu vernehmen, in Umfragen befürworten bloss etwa die Hälfte der befragten RepublikanerInnen die Familientrennungen. Derweil wurde aus dem Weissen Haus gewohnt widersinnig argumentiert, dass letztlich Trumps demokratische Vorgänger die Massnahmen zu verantworten hätten sowie der Kongress, der keine vernünftige Gesetzgebung für Trumps harte Grenzpolitik zustande bringe.

Genau wie alle anderen Skandale zuvor wird Donald Trump aber auch diesen überstehen. Darauf deuten zumindest seine Zustimmungswerte in der Bevölkerung hin, die seit dem Wochenende stabil geblieben sind. Mit der Konsequenz, dass sich die Öffentlichkeit – nicht nur in den USA – an eine weitere hässliche Facette repressiver Grenzpolitik gewöhnen dürfte.

«Die Immigration ist schuld», liess Trump am Montag verlauten: eine bestechende Logik, die sämtliche erdenklichen Massnahmen legitimiert. Und nicht nur er hat sie verinnerlicht. Dass seit Jahrzehnten Tausende Menschen ums Leben kommen beim Versuch, die militarisierte US-Grenze zu überqueren, wird schon lange als bedauerliche Nebenerscheinung einer vermeintlich notwendigen Migrationspolitik hingenommen. Gut möglich, dass auch Bilder wie jene aus dem texanischen Internierungslager bald kaum mehr für Empörung sorgen.