LeserInnenbriefe: Lobet die Gärten!

Nr. 27 –

«Der totale Ablöscher: So wird das nichts mit dem Paradies», WOZ Nr. 26/2018

«Der totale Ablöscher» in der neuen Ausgabe ist der totale Ablöscher! So ein Stuss!

Zwar habe ich die WOZ nur auf Probe, bin manchmal intellektuell überfordert und interessiere mich sehr mässig für Zürcher Themen und Befindlichkeiten. Immerhin gaben mir die gelesenen Ausgaben aber das Gefühl, dass es noch etwas anderes gibt als Rheintaler Stammtische. Bis heute. Stephan Pörtner haut rein wie hierzulande die selbsternannten Dorfkönige am Biertisch: Nichts von Fakten, keine Kenntnis der Materie, populistische Schnorre, diesmal halt von der anderen Seite.

Garten ist nicht Natur und will es gar nicht sein. Gärtnern kann unendlich spiessig sein oder aber die wunderbarste Beschäftigung für Millionen. Gärten in der Stadt (auch ein Park ist ein Garten) sind nicht erst seit der Dekadenz verbreitet. Nie was von 2000 Jahre alten öffentlichen Gärten gehört? Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen ökologischer Fehltritte, fliege nicht, und Yoga auf den Seychellen liegt nicht drin nach einem Tag Gartenarbeit. Ich spritze kein Gift, die Artenvielfalt ist in den letzten dreissig Jahren, seit der Garten besteht, anders als andernorts gestiegen, und letztes Jahr habe ich sogar einen Quittenbaum gepflanzt. Quittengelee: Wunderbar, die Früchte der neuen Züchtung kann man sogar vom Baum essen.

Wer über Gärten schreibt, sollte mindestens eine Ahnung davon haben. Der Autor hat das nicht, denkt man beim Lesen des Textes. Dem kann mit einem Gartenbesuch abgeholfen werden. Die Einladung gilt, leider sinds zwei Stunden im ÖV von der Stadt.

Urs Stieger, Berneck

Es gibt Menschen, denen als Kind die Schaufel weggenommen wird und die sich nur schwer davon erholen. In der Fachwelt spricht man von Schaufelneid. Dieser kann schon durch den sporadischen Kontakt mit Gärten getriggert werden. Die Folgen davon demonstriert Stephan Pörtner in seiner Glosse zum Urban Gardening. Er wettert gegen das Genossenschaftsbürgertum, das sich einbildet, mit dem Bepflanzen von «SBB-Palettenkisten» dem globalen Nahrungsmittelmangel etwas entgegenzusetzen. Dazu muss man sagen: Immerhin schaden solche Ersatzhandlungen nicht. Dass Pörtner die verblasene Weltsicht des Urban Gardening kritisiert, ist ja selbst nur eine Ersatzhandlung. Schliesslich kann man den Leuten nicht vorwerfen, dass sie gezwungen sind, ihr Gemüse im Supermarkt oder auf dem Markt einzukaufen. Pörtners Vision für eine bessere Welt: die Natur wieder ganz sich selbst überlassen. Praktischere Lösungen gegen Schaufelneid gibt es im Baumarkt, den Gärtnerspaten schon für rund zwölf Franken. Go and get it, love.

Ruben Hackler, Green City, Zürich

Da kann man nur den Kopf schütteln, um bösere Worte zu vermeiden. Nicht ein einziges Klischee fehlt in diesem Artikel. Es fängt damit an, dass der Autor Einfamilienhaus-Millionäre und Schrebergartenmieter in den gleichen Topf wirft. Letztere wohnen meistens in sehr bescheidenen Stadtwohnungen und pflegen und geniessen ihre kleinen Gärtlein. Diese sind oft Erholung von der werktäglichen Enge in der Wohnung und vom Lärm in der Grossstadt. Glaubt der Autor wirklich, dass auch nur eine einzige Schrebergärtnergattin jemals auf den Seychellen Yoga praktiziert hat?

Ich selber bekenne – wie auch meine Nachbarn –, Hausbesitzer zu sein, auf dem Land zu wohnen und Gemüse anzubauen. Ich mache das zuallerletzt aus finanziellen Gründen, sondern weil die Arbeit gut tut, das Pflanzenwachstum Freude macht, das Gemüse besser schmeckt, Pflanzenabfälle als Kompost sinnvoll genutzt werden und weil ich weiss, dass in meinem Garten weder legales noch illegales Gift eingesetzt wird. In nachbarschaftlichen Diskussionen erfahre ich, wie schon wenige ausnahmsweise ausgestreute Schneckenkörner zu einem schlechten Gewissen führen. Dass in Hausgärten Gift verwendet wird, mag ja hie und da vorkommen. Wer aber wird so blöd sein, sich selber und seine eigene Familie zu vergiften? Ich vermute vielmehr, dass im Einfamilienhausgarten das meiste Gift für die Rasenpflege eingesetzt wird.

Aber vielleicht wäre es dem Autor lieber, wenn ich jeden Samstag unter Knattern einen sterilen Rasen mähen würde. Die giftfreie Nahrung vom Grossverteiler gönne ich ihm. Sollte es ihn jemals an die Goldküste verschlagen, offeriere ich ihm gerne eine selbst angebaute Tomate.

Nick Bertschinger, Feldmeilen

Ich bin ein Fan eurer Zeitung, und vieles, was in der WOZ gedruckt wird, ist nirgends sonst in dieser Form zu lesen. Eure Sommerserie «Der totale Ablöscher» erstaunt mich umso mehr – zumal der Anspruch besteht, Wut und Zorn aus der rechten Ecke zu holen, um ihn wieder Treibstoff für die Verbesserung der Welt werden zu lassen. Was dann kommt, ist leider weit davon entfernt. Es gäbe so viel in dieser Welt, das Empörung verdient. Dass das Gärtnern eine bürgerliche Tugend war und von englischen Kolonialherren betrieben wurde, hat doch nichts damit zu tun, was viele Gartenprojekte an sozialer Gemeinschaft generieren. Jeder noch so «bünzlige» Schrebergarten trägt mehr zur Integration bei als manches Integrationsprojekt. Natürlich hat vieles, was zurzeit falsch läuft, vor Jahrtausenden mit der Agrarrevolution begonnen, aber da kommen wir leider nicht mehr hin.

Schade, dass die Empörung auf ein Thema fällt, das in Zeiten der Individualisierung einen gewissen sozialen Austausch schafft. Die gärtnernde Millionärsgattin mit Urban Gardening gleichzusetzen, dünkt mich schon fast geschmacklos. Nebenbei: Jeder, der einmal einen Garten angelegt hat, versteht doch eine Grundlage der Kapitalismuskritik: «Endloses Wachstum gibt es nicht!»

Um mit Lob zu enden: Die Illustrationen zur Serie sind sehr hübsch, und der Artikel zum Doppeladler ist grossartig und auf den Punkt gebracht.

Fabian Gutscher, per E-Mail