Wagenknechts Bewegung: Etikettenschwindel statt Aufbruch

Nr. 32 –

Erst seit ein paar Tagen ist die Website der von Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine initiierten Sammlungsbewegung namens «Aufstehen» online, und schon gibt es eine erste Erfolgsmeldung: 36 000 Menschen sollen sich bereits registriert haben, um Teil davon zu werden, verkündete Lafontaine Anfang der Woche. Sollte diese Zahl stimmen, wäre das ein Indiz dafür, dass «Aufstehen» noch für Aufsehen sorgen wird; fraglich ist allerdings, ob man sich darüber freuen sollte.

Denn eigentlich handelt es sich bei dem ganzen Vorhaben um einen Etikettenschwindel: Üblicherweise entstehen Bewegungen von unten, indem sich Menschen zusammentun, um gemeinsam für ihre Anliegen zu kämpfen – so war es bei der Frauen-, der Friedens-, der Umwelt- und auch der Occupy-Bewegung. Die InitiatorInnen von «Aufstehen» gehen es umgekehrt an: Generalstabsmässig geplant soll über Parteigrenzen hinweg politischer Druck aufgebaut werden; eine solche Top-down-Methode ist schon vom Ansatz her autoritär.

Wagenknecht und Lafontaine haben sich vom französischen Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon inspirieren lassen. Dieser war vor zweieinhalb Jahren einen ähnlichen Weg gegangen, als er seine Bewegung La France insoumise ins Leben rief. Lafontaine und Mélenchon kennen sich gut, ihr politischer Werdegang ist vergleichbar: Beide machten zunächst in der Sozialdemokratie Karriere, ehe sie diese aus Protest verliessen.

Mélenchon ist mit seiner Bewegung insofern erfolgreich, als er die sozialistische Partei inzwischen völlig marginalisiert hat und zur lautesten Stimme der linken Opposition in Frankreich avancierte. Zugleich aber zeigt das Beispiel die Grenzen solcher Organisationsformen auf: Dass eine völlig auf eine prominente FührerInnenfigur zugeschnittene Bewegung wirklich demokratischer als eine «normale» Partei ist, kann getrost bezweifelt werden.

Was das inhaltliche Profil von «Aufstehen» angeht, lassen Wagenknechts jüngste Wortmeldungen leicht erraten, wohin die Reise gehen soll. In einem gemeinsam mit dem Dramaturgen und Publizisten Bernd Stegemann veröffentlichten Gastbeitrag in der «Nordwest-Zeitung» erteilte die Linkspolitikerin nicht nur «den Ressentiments der AfD», sondern auch «einer grenzenlosen Willkommenskultur» eine Absage. Das ist genau die Position, für die Wagenknecht in ihrer Partei immer wieder scharf angegriffen worden ist. In einer auf ihre Person zugeschnittenen Bewegung wird sie dagegen Kritik kaum fürchten müssen.