Abtreibungsstrafrecht: Der letzte Sieg des Männerklubs

Nr. 33 –

Lange hatte es so ausgesehen, als könnte die Liberalisierung des Abtreibungsstrafrechts nach dem argentinischen Abgeordnetenhaus auch noch – wenn auch knapp – die Hürde des Senats nehmen. Dann aber kam es am frühen Donnerstag vergangener Woche nach sechzehn Stunden Debatte anders. Uruguay, Guyana, Kuba und Mexiko-Stadt bleiben bis auf Weiteres die einzigen Gegenden Lateinamerikas, in denen Frauen selbst entscheiden dürfen, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft fortsetzen oder nicht. In Argentinien wird es so bleiben, wie es seit 1921 ist: Abtreibungen sind nur erlaubt nach einer Vergewaltigung oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.

Der Grund für den Stimmungswandel ist offensichtlich: Die katholische Kirche, erschreckt vom Votum des Abgeordnetenhauses, mobilisierte alles, was sie überhaupt noch mobilisieren kann. Ihr Vorsitzender Papst Franziskus – selbst ein Argentinier – verstieg sich gar zum menschenverachtenden Vergleich, die geplante Liberalisierung des Abtreibungsstrafrechts sei eine moderne Form des Eugenikprogramms der Nationalsozialisten in Deutschland. Es interessiert ihn nicht, dass in Argentinien trotz des Verbots jedes Jahr zwischen 350 000 und 500 000 Frauen unter oft widrigen medizinischen Bedingungen illegal abtreiben lassen, dass zwischen 45 000 und 60 000 von ihnen danach ins Spital eingeliefert werden und Hunderte von ihnen sterben.

Bei Stellungnahmen zur sexuellen Selbstbestimmung zeigt Franziskus üblicherweise kein Mitgefühl. 2010, als er noch Jorge Mario Bergoglio hiess und Erzbischof von Buenos Aires war, nannte er ein soeben verabschiedetes Gesetz über die «Ehe für alle» einen «zerstörerischen Angriff auf Gottes Plan». Danach hat er noch jahrelang darüber hinweggesehen, dass seine Priester zu Dutzenden kleine Jungen missbrauchten, und das Thema erst aufgenommen, als strafrechtliche Verfahren ihn dazu zwangen. Allein in Chile sind über hundert solche Verfahren hängig.

Der Donnerstag vergangener Woche hat den argentinischen Frauen eine Niederlage gebracht. Vieles deutet aber darauf hin, dass es der letzte Sieg des Männerklubs gewesen sein könnte. Nie war die Frauenbewegung in Lateinamerika so stark und so beharrlich. Wenn es in diesem Jahr nicht geklappt hat, dann eben im nächsten oder übernächsten. In Argentinien, in Brasilien, in Chile, in El Salvador.