Armut in der Schweiz: Ein asozialer und kurzsichtiger Bundesrat

Nr. 35 –

Man muss sich die Zahl vor Augen führen: 615 000 Menschen in der Schweiz sind arm – davon sind über 100 000 Kinder. Das ist jede 14. Person. Diese Menschen müssen mit weniger als 2247 Franken im Monat leben, Familien (mit zwei Kindern) mit weniger als 3981. Ein junger Student mag mit so wenig Geld gut ein paar Jahre über die Runden kommen – doch was, wenn man ein ganzes Leben damit auskommen muss? Die Menschen können sich unter anderem keine Weiterbildungen leisten und geraten dadurch in eine Armutsspirale.

Trotzdem will der Bundesrat – der mit der Ersetzung von Didier Burkhalter durch Ignazio Cassis (beide FDP) ein gutes Stück weiter nach rechts gerückt ist – die Armutsbekämpfung zusammenstreichen, wie die Caritas nun vor der nationalen Konferenz gegen Armut kritisiert, die nächste Woche stattfindet: 2013 hatte die Regierung 9 Millionen Franken für ein fünfjähriges Programm zur Bekämpfung der Armut gesprochen, und obwohl sie kürzlich eine positive Bilanz zog, will sie diese nun auf 2,5 Millionen kürzen. Insbesondere will sie auf ein Monitoring verzichten, mit dem die Ursachen der Armut erforscht werden könnten.

Ein ebenso asozialer wie kurzsichtiger Entscheid: Weltweit läuft seit Jahren eine Debatte, wie die zunehmende Ungleichheit und die Armut im 21. Jahrhundert bekämpft werden können. Denn die Globalisierung und der technologische Wandel, der die unteren Einkommensschichten trifft, machen dies zu einer der ganz grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Auch in der Schweiz steigt die Armutsquote an, vor allem unter Kindern. Und der Bundesrat? Er forciert nicht nur eine Unternehmenssteuerreform, die die Ungleichheit befeuert, und stellt die flankierenden Massnahmen infrage, sondern zieht sich auch aus der direkten Armutsbekämpfung zurück.

Wie Caritas-Direktor Hugo Fasel kritisiert, glaubt die Regierung, das Armutsproblem in die Sozialhilfe auslagern zu können. Wer sich in den Bundesrat wählen lässt, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzugehen, sollte etwas mehr Weitblick beweisen.