WOZ News

Nr. 35 –

Weltanschauliche I

«Es sind nicht mehr nur Vertreter der nationalistischen Rechten, die die Aushöhlung der Sozialwerke infolge der ungebremsten Einwanderung beklagen. Der Schriftsteller Uwe Tellkamp provozierte jüngst mit der Aussage, dass 95 % der Flüchtlinge und Zuwanderer nach Deutschland kämen, um in das Sozialsystem einzuwandern.» Mit diesem Einstieg in ihren Leitartikel überraschte am Montag eine Wirtschaftsredaktorin der NZZ. SchriftstellerInnen sind offenbar grundsätzlich links und legen deshalb besonders aufrichtig Zeugnis ab über die gesellschaftlichen Verhältnisse. Schön wärs.

Weltanschauliche II

Wir bleiben beim Thema und kommen zu Thomas Hürlimann, einem Schweizer Pendant zu oben Genanntem. Der verfolgte uns letzte Woche, nicht nur im «Tages-Anzeiger», sondern auch beim «Bund». Letztgenannte Zeitung porträtierte ihn gleich zweimal mit demselben Foto im Lead auf der Titelseite. «Er ist derselbe, aber verwandelt», hiess es einmal erklärend. Aber alter weisser Mann bleibt nun mal alter weisser Mann, vor allem wenn er Weisheiten von sich gibt wie die folgende: «Toleranz ist ein anderes Wort für Feigheit.» Da sind wir zur Abwechslung mal ganz intolerant.

Unabhängige

Äusserst tolerant zeigte sich wiederum die «NZZ am Sonntag», zumindest was die Annahme von Inseraten betrifft. Während man am letzten Wochenende im redaktionellen Teil kritisch feststellte: «Die Massen drängen bis in die Arktis – sogar Spitzbergen wird von Touristen auf Kreuzfahrt überschwemmt», fand sich in der «Stil»-Beilage vom selben Tag eine ganzseitige Anzeige, die unter dem Titel «Eisbären auf 80° Nord» für eine «Expeditions-Kreuzfahrt Spitzbergen» warb: «Erleben Sie eine Welt, in der die Natur nach ihren eigenen Regeln spielt, fernab von fast jeglicher Zivilisation.» Besonders spannend für die Teilnehmenden wird es sein, beobachten zu können, wie die Natur gerade dabei ist, ihre Spielregeln zu ändern.

Verkürzte

«Damit schwächt die Schweiz den Servic public weltweit und auch im eigenen Land», stand in der WOZ. Immerhin haben wir keinerlei Berührungsängste mit der Endung -ic.

Relative

«Wo steht das hässlichste Haus der Schweiz?», fragte «20 Minuten» schon zum zweiten Mal und erinnerte daran, dass bei der letzten Wahl drei Betonbauten in den Top drei gewesen seien. Das kommentierte eine Fachperson: «Es braucht Wissen und Erfahrung, um die Schönheit von Betongebäuden zu erkennen.» Während unser Blick sinnend das 118 Meter hohe Silogebäude der Zürcher Swissmill streift, stellen wir fest, dass wir inzwischen über genügend Wissen und Erfahrung verfügen.

Niedliche

Die Ausdünnung von Korrekturabteilungen, deren Verlegung nach Osteuropa oder gar ihre totale Abschaffung wirken sich meistens nicht gut aufs Produkt aus, zum Beispiel im «Tages-Anzeiger», «wo er am tags darauf am Donnerstag starb», oder wie in der NZZ: «Denn im Lage, da ist alles verdreht.» Aber sie können auch Spass machen, wie im NZZ-Newsletter, wo uns «der schwelende Machtkampf in der Pudas artei» erfreute.

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