Polizeiwaffen: Ein Pferdetritt ins Auge

Nr. 36 –

Eine aufgeplatzte Lippe, die mit neun Stichen genäht werden musste, handtellergrosse Hämatome an Oberschenkel und Bauch, diverse Gesichtsverletzungen, ein blaues zugeschwollenes Auge, eine Person mit Verletzungen im Genitalbereich im Spital. Egal was der Anlass für die Auseinandersetzung vor der Berner Reitschule vergangene Samstagnacht war, fest steht: Die Blessuren sind gravierend. Ursache: Gummigeschosse.

Die Reitschule dokumentierte nicht nur zahlreiche Verletzungen, sondern veröffentlichte auch Fotos von neuartigen Gummigeschossen. Sie sind hinten schwarz, in der Mitte grün, mit einem gelben Schaumstoffkopf. Wie ein «gelber Golfball mit angehängtem Eierbecher», so das «Schweizer Waffenmagazin» («SWM»). Das Foto der Reitschule zeigte ein mit einem Smiley verziertes Exemplar. Ob sich hier ein einzelner Beamter kreativ ausgelebt hat? Klar ist: Die Kantonspolizei Bern hat mal eben ihr Arsenal erweitert.

Die Kapo sagt, dass die Einzelgummigeschosse seit gut einem Jahr verwendet werden, um «gezielt einzelne Angreifer zu stoppen». Es sei eine Ergänzung zum Gummischrot, das als Streumunition dazu diene, Personengruppen auf Distanz zu halten. Das neue Geschoss ist ein Produkt einer Thuner Firma und trägt den Namen SIR: Safe Impact Round. Zu deutsch in etwa «sichere Aufprallpatrone». Der Hersteller wirbt mit höchster Trefferwahrscheinlichkeit aus einer Ferne von über fünfzig Metern. Und: «Die SIR ist auch komplett sicher auf Nahdistanz: keine Hautpenetration, keine Rippenbrüche oder Verletzung innerer Organe». Laut dem «SWM» erinnert der Aufprall an einen Pferdetritt. Und was, wenn der Pferdetritt ins Auge geht?

Es nützt nichts, wenn die Polizei sich mit «komplett sicheren» Geschossen ausrüstet, wenn sie die geforderte Distanz von zwanzig Metern notorisch unterschreitet oder die Gewehre – wie Videoaufnahmen von Samstagnacht nahelegen – auf Kopfhöhe abfeuert. Was es braucht, ist ein Verbot von Gummigeschossen, wie es beispielsweise Deutschland kennt. Dort stellt sich sogar die grösste deutsche Polizeigewerkschaft gegen deren Einsatz – wegen der hohen Verletzungsgefahr.