Ein Traum der Welt: Gandhi-Connection

Nr. 37 –

Annette Hug versucht, ein Gespräch fortzuführen

Im Februar 2017 hat mir ein Student in Manila einen Floh ins Ohr gesetzt. Wir begannen im «Khas» zu plaudern. Dieser Imbiss dient seit über zwanzig Jahren als Treffpunkt für ausländische StudentInnen der University of the Philippines. Zwei Pakistaner haben die Bude eröffnet – wir dachten damals, sie würden es weit bringen. Sie wussten, wie man die Regeln umging, über die wir andern nur lästern konnten. Ob vietnamesische Sozialarbeiterin, äthiopischer Informatiker oder japanische Soziologin: Alle mussten befürchten, das StudentInnenvisum zu verlieren, wenn sie ungenügende Noten schrieben oder beim Geldverdienen erwischt wurden. Dass es den pakistanischen Studenten gelang, mitten auf dem Campus eine Imbissbude zu betreiben, war ein Wunder. Aber die grosse Karriere ist dann doch ausgeblieben. Einer der Brüder arbeitet heute noch im «Khas».

Hier erzählte mir also letztes Jahr ein Student aus Afghanistan von seiner Masterarbeit. Die starke Gefolgschaft Mahatma Gandhis unter den AfghanInnen sei nicht nur historisch interessant, sondern zukunftsweisend. Mein Erstaunen schien ihm erklärungsbedürftig. Ob ich denn nicht wisse, dass Tausende von Paschtunen mit gewaltlosem Widerstand die Briten zur Verzweiflung getrieben hätten? Vom islamischen Pazifismus des Abdul Ghaffar Khan, auch Badshah Khan genannt, noch nie gehört?

Das Gespräch dauerte kaum eine halbe Stunde. Es folgten Facebook-Posts in persischer Schrift, die ich nicht entziffern konnte. Schliesslich sprach ich mit Ueli Wildberger vom Internationalen Versöhnungsbund. Ihm ist Abdul Ghaffar Khan seit langem ein Begriff – er freut sich, dass 2012 die Autobiografie «Mein Leben» endlich auch auf Deutsch erschienen ist, beim kleinen Verlag des Afghanistan Information Center in Hamburg.

Als Badshah Khan 1988 in hohem Alter starb, liessen antisowjetische Mudschaheddin und afghanische Truppen einen Tag lang die Waffen ruhen. Tausende von Menschen brachten den Toten vom pakistanischen Peschawar über den Chaiber-Pass ins afghanische Dschalalabad, wo Badshah Khan auf eigenen Wunsch beerdigt wurde. Eine Nation hatte er sein Leben lang nicht gefunden. Unter den Briten war er einer Bewegung vorgestanden, die im Sinne Gandhis zivilen Ungehorsam übte. Sie bauten in den paschtunischen Gebieten eigene Schulen, boykottierten die britische Post. Bei Demonstrationen wurden immer wieder AnhängerInnen dieser «Rothemden» erschossen. Aber das schlimmste Massaker folgte nach der Unabhängigkeit und Spaltung Indiens. Die neue Führung Pakistans verzieh es nicht, dass Badshah Khan der Indischen Kongresspartei näher gestanden hatte als der Muslim League. Bald galt seine pazifistische Ideologie als unislamisch, sie vertrug sich auch nicht mit atomarer Aufrüstung. Während seine Bewegung zerfiel, sass Badshah Khan jahrelang im Gefängnis. Und trotzdem wurde sein Begräbnis ein Grossereignis.

Wie die Ideen Gandhis zu Afghanistans Zukunft beitragen, wollte ich den Facebook-Bekannten fragen. Ich schlug ein Treffen vor, diesen November, am liebsten wieder im «Khas». Die Masterarbeit sei leider nicht vorangekommen, schrieb er zurück. Familiäre Probleme, Geldmangel. Zurzeit pendle er zwischen Kabul und Indien. Lerne Sanskrit. Er hoffe, irgendwann nach Manila zurückzukehren, um sein Studium abzuschliessen.

Annette Hug ist freie Autorin in Zürich. Von 1992 bis 1994 hat sie an der University of the Philippines studiert. Den Chaiber-Pass kennt sie nur aus Zeitungsberichten.