Köppel-Biografie: Der Mann, der alle Antworten kennt

Nr. 37 –

Mit «In Badehosen nach Stalingrad» zeichnet Daniel Ryser den Weg von Roger Köppel nach und löst ein journalistisches Versprechen ein, das der «Weltwoche»-Verleger selbst längst aufgegeben hat: schreiben, was ist.

«Sind Sie ein Auftragskiller?», fragt Roger Köppel irgendwann. Vielleicht beginnt er zu diesem Zeitpunkt, im Frühling 2018, zu ahnen, was für ein Buch am Entstehen ist. «Ich sage, dass ich kein Auftragskiller bin», schreibt Daniel Ryser. Und Köppel weiter: «Sie müssen doch eine These haben! Was ist es, worauf Sie hinauswollen? Sie sitzen einem gegenüber, plaudern, man wähnt sich in Sicherheit, und dann, wenn das Gespräch fast vorbei ist, kommt aus dem Nichts eine Frage, und dann weiss man, dass man geliefert ist.» Roger Köppel fühlt sich an Fernsehdetektiv Columbo erinnert.

Aus Rysers Recherche – viele Gespräche mit Roger Köppel, mit Weggefährtinnen, Freunden, KritikerInnen – ist kein Buch gegen Roger Köppel geworden, wie dieser vielleicht gehofft hatte. Dass die nicht autorisierte Biografie auch kein Buch für ihn sein würde, wusste Köppel von Anfang an. Dennoch hat er die Fragen des damaligen WOZ-Journalisten beantwortet. Die beiden haben sich mehrfach getroffen, Köppel wollte Ryser zwischendurch sogar zur «Weltwoche» holen, sagte: «Es gibt nur noch eine Zeitung in diesem Land, bei der man frei ist zu schreiben, was ist.» Dann misstraute er seinem Biografen wieder, sah ihn «in mentaler Geiselhaft von Linksradikalen».

Wichtigste Frage bleibt offen

Das Buch hat eine grosse Sogwirkung auf mich, den ehemaligen Journalisten. Ich wundere mich, denn ich dachte bis anhin, nichts am Thema «Roger Köppel» würde mich irgendwann noch einmal interessieren. Als Köppel als «Magazin»-Chefredaktor bekannt wurde, hatte ich ihn noch bewundert. Er konnte elegant schreiben. Er ist belesen. Er war leidenschaftlich. Auch diesem Köppel begegnet man im Buch. Es zeichnet sich durch etwas aus, was man in Köppels «Weltwoche» immer weniger findet: Es richtet und verurteilt nicht. Es will Roger Köppel nicht entlarven. Es zeigt nur, was diesem wichtig ist, wie er die Welt sieht, wie WeggefährtInnen ihn wahrnehmen, wie er Besitzer der «Weltwoche» geworden ist, von wem er dabei unterstützt wurde.

Wie viel Roger Köppel für die «Weltwoche» bezahlen musste, verrät Financier Tito Tettamanti nicht: «Privatgeschäfte sind Privatgeschäfte. Aber Köppel hat mit dem Kauf der Weltwoche auf jeden Fall ein sehr gutes Geschäft gemacht. (…) Es war für uns eine grosse Erleichterung, jemanden gefunden zu haben, der bereit war, dieses Gefecht zu führen. Den Kampf gegen Etatismus, Bürokratie und politische Korrektheit.»

Im Laufe dieses Kampfes werden enge Freunde zu Kritikern. «Diese ständige Position des Dagegenseins. Ich merke in meinem Umfeld, dass es immer schwieriger wird, Leute zu finden, die sich positiv über ihn äussern», sagte beispielsweise der vor einem Jahr verstorbene Unternehmer Bruno Franzen, ehemaliger Vertrauter und Berater Köppels.

Roger Köppel weiss – wüsste –, was guter Journalismus ist, und das weiss auch Daniel Ryser: «Ich sage ihm (…), dass ich es für einen Verlust für den Journalismus halte, dass er sich derart politisiert habe. Das ist meine Überzeugung. Er sagt, ich könnte nicht falscher liegen.» In diesen Sätzen kommt die skeptische, auch empathische Grundhaltung des Biografen zum Ausdruck. Sein Buch erlaubt einen Blick in die Gedankenwelt nicht nur von Roger Köppel, sondern auch seines Förderers Tito Tettamanti.

Ryser macht sichtbar, wie Köppel mitgeholfen hat, den Schweizer Medienmainstream mehr und mehr nach rechts zu lenken. Allerdings beantwortet das Buch meine wichtigste Frage nicht: Warum ist aus dem leidenschaftlichen Journalisten Roger Köppel der grosse Eiferer und Anprangerer, der leicht einfältig wirkende, einflussreiche Parteigänger geworden? Der Autor selbst verzichtet auf psychologisierende Bemerkungen, selbst dort, wo er die tragischen Ereignisse in Roger Köppels Kindheit schildert, den frühen Tod seiner Eltern.

Die Zitate und Schilderungen machen Köppels Weg bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar: «Der Zweite Weltkrieg hat ihn schon in der Sekundarschule fasziniert, ohne dass wir den Stoff drangenommen hätten», sagt Köppels ehemaliger Deutsch- und Geschichtslehrer. «Die Faszination für das Martialische, für den Krieg, geht auf seine Kindheit zurück», sagt ein Primarschulfreund.

Mir ist Roger Köppel im Lauf der Lektüre wieder etwas sympathischer geworden, obwohl ich mich dagegen zu wehren versuchte. Unheimlicher noch als zuvor erscheint mir aber die Gedankenwelt, die er und seine Förderer und Fans bewohnen. Es ist eine Welt der sozialen Kälte und der totalen Konfrontation.

«Er will 51 Prozent»

Rysers Buch könnten auch Blocher- und Köppel-AnhängerInnen mit Gewinn lesen. Sie könnten daraus lernen, dass man einen kritischen Diskurs führen kann, ohne politische GegnerInnen auf der persönlichen Ebene anzugreifen. Köppel wird von Ryser nicht verunglimpft, im Gegenteil: Er hat eine Bühne bekommen und diese auch genutzt. Aber er steht als verbissen athletische Gestalt auf dieser Bühne, als ein Mann, der alle Antworten zu kennen glaubt.

Eine bedenkenswerte Köppel-Kritik liefert im Buch ausgerechnet der einst vom Linken zum Rechten gewordene ehemalige «Weltwoche»-Journalist Markus Schär, dem Ryser Platz für grundsätzliche Erörterungen gibt: «Die Schweiz wird nicht von einem regiert, sondern von sieben. Wer das nicht akzeptieren kann, politisiert unschweizerisch. Daran krankt Roger: Er will nicht 30 Prozent, er will 51. Das wäre gefährlich.» Der Brexit und die Wahl von Donald Trump haben Köppel laut Schär das Gefühl gegeben, «dass die absolute Mehrheit möglich ist: Man will eine Bewegung sein, die Mehrheit kriegen, keine Kompromisse mehr machen müssen.»

Die ehemalige «Magazin»-Journalistin Gabriele Werffeli räumt ein, dass sie Köppel – wie viele andere damals – sehr, sehr gern gehabt habe. «Plötzlich hat er mich als ‹Gutmenschen› angegriffen, obwohl er in all den Jahren immer meine Nähe, meinen Rat gesucht hatte und ich ihn nie verraten habe. Plötzlich hat er meine Grundwerte attackiert, ‹Kein Mensch ist illegal›, banale Dinge wie Nächstenliebe, Mitgefühl, Umverteilung, den sozialen Frieden mit positiven Mitteln aushandeln, Menschenrechte, Umweltschutz …»

Schreiben, was ist: Diese Forderung an die JournalistInnen, einst von «Spiegel»-Gründer Rudolf Augstein formuliert, von Roger Köppel immer wieder neu ins Feld geführt, hat Daniel Ryser mit seinem Buch eingelöst. Es ist eine sorgfältig gestaltete Collage aus Meinungen von und über Roger Köppel, mit sparsam eingestreuten Beobachtungen. Köppel begegnet einem als Mensch mit Stärken und Schwächen, der leider viel zu wenig über sich selber nachdenkt und irgendwo auf seinem Weg ein so verbissener Überzeugungstäter wurde, dass er seinen Charme verloren und sich aus der Debatte verabschiedet hat und nur noch Überzeugte auf ihrem rechten Weg bestärken kann. Das ist nicht ungefährlich, weder für ihn noch für sein Umfeld.

Hanspeter Spörri ist ehemaliger Chefredaktor der Zeitung «Der Bund».

Lesetour durch die Schweiz ab dem 25. September 2018. www.echtzeit.ch

Daniel Ryser: In Badehosen nach Stalingrad. Der Weg von Roger Köppel. Echtzeit Verlag. Basel 2018. 272 Seiten. 36 Franken