Krise in Venezuela: Grosses Säbelrasseln

Nr. 40 –

Die USA und Kolumbien drohen Caracas mit einer Militärintervention. Das dürfte das venezolanische Regime allerdings stärken.

Lateinamerikanische Staatschefs lieben dramatische Gesten. So haben in der vergangenen Woche die Präsidenten von Argentinien, Chile, Kolumbien, Paraguay und Peru zusammen mit ihrem kanadischen Kollegen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aufgefordert, Ermittlungen gegen Regierungsvertreter von Venezuela wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen einzuleiten. So etwas gab es noch nie. US-Präsident Donald Trump und Kolumbiens neuer Staatschef Iván Duque drohen noch gewaltiger: Was Venezuela angehe, sagen die beiden seit Wochen, sei «keine Option ausgeschlossen». Im Klartext: Eine militärische Intervention sei möglich. Gegen Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wird eine finstere Drohkulisse aufgebaut. Sie ist letztlich kontraproduktiv.

Ermittlungen wären wirkungslos

Die Präsidenten der fünf Länder, die den Internationalen Strafgerichtshof zum Handeln aufgefordert haben, sind allesamt stramm rechte Politiker, denen Venezuela ein Dorn im Auge ist, seit es sich 1999 unter dem damaligen Präsidenten Hugo Chávez nach links gewandt hat. Kanadas Staatschef Justin Trudeau hat sich ihnen wohl nur deswegen angeschlossen, weil er sich gerne als Hüter der Menschenrechte geriert. Tatsächlich werden in Venezuela Menschenrechte massiv verletzt. Zuletzt hatte Amnesty International in einem Mitte September veröffentlichten Bericht willkürliche Verhaftungen und aussergerichtliche Hinrichtungen durch Sicherheitskräfte sowie Folter und Vergewaltigungen in Gefängnissen angeprangert. Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshof werden daran, sollten sie aufgenommen werden, erst einmal nichts ändern. Bis zu einer Anklageerhebung vergehen erfahrungsgemäss Jahre, und auch dann ist es eher unwahrscheinlich, dass der Internationale Strafgerichtshof möglicher Angeklagter habhaft werden kann, um sie vor Gericht zu stellen.

Ein zweites Vietnam

Fast noch absurder ist das Säbelrasseln von Trump und Duque. Kolumbien hat schon jetzt rund die Hälfte der über zwei Millionen Hungerflüchtlinge aus dem benachbarten Venezuela aufgenommen, im Fall eines Kriegs würden noch Millionen dazukommen. Und für die USA würde eine Intervention ein weiteres Vietnam. Denn in Venezuela gälte es nicht nur eine Armee zu besiegen, es gibt auch Hunderttausende bewaffnete chavistische MilizionärInnen. Im Pentagon in Washington weiss man das und wird alles dafür tun, dass es Trump beim Twittern bewenden lässt.

Die Drohkulisse mag den Anschein erwecken, Maduro sei nun isolierter als zuvor. Letztlich treibt sie ihn nur noch enger in die Arme seiner letzten – an seinen Ölreserven interessierten – Geldgeber, Russland und China. Und sie stärkt seine Rede von einer internationalen Verschwörung gegen Venezuela, mit der er Repressionen gegen politische GegnerInnen rechtfertigen und sein wirtschaftliches und soziales Versagen kaschieren kann. Wer Maduro schwächen will, muss ihn mit seinen selbstgemachten Problemen in Ruhe und alleine lassen. Nur dann haben eher pragmatisch denkende AbweichlerInnen aus seinem eigenen Lager – und die gibt es – die Chance, ihn mittelfristig zu verdrängen. Eine friedliche Alternative dazu gibt es nicht.