Agenda

Nr. 41 –

Machtpolitik im Kino

Zum Abschied bekommt der Autokrat in spe noch eine machtpolitische Parabel mit auf den Weg: «Ein Staat ist wie ein Garten. Damit er blühen kann, muss man das Unkraut ausreissen.» Wladimir Putin, damals noch Interimspräsident, ist gerade samt Kamerateam bei seiner einstigen Lehrerin zu Besuch, der Spruch kommt von deren Ehemann.

Unkraut ausreissen? Es ist einer dieser Momente, die ominös nachhallen in Vitaly Manskys Film «Putin’s Witnesses». Der Titel ist teils auch Selbstanklage: Mansky, damals Leiter der Dokumentarfilmabteilung des russischen Fernsehens, war selber als Zeuge im innersten Zirkel der Macht dabei, als Putin im Jahr 2000 ins Präsidentenamt gehievt wurde. Im Exil in Lettland hat Mansky sein Material von damals gebündelt: die unheimliche Anatomie einer Kampagne, die offiziell keine sein durfte.

Anderes Land, andere Kampagne, vierzehn Jahre davor: Auch Ruth Beckermann war als Zeitzeugin dabei, als Kurt Waldheim in Österreich als Bundespräsident kandidierte – aber als Aktivistin auf der Strasse, bei den Protesten gegen den Mann, der über seine Nazivergangenheit gelogen hatte und seine biografische «Wahrheit» nun laufend dem jeweiligen Stand der Ermittlungen anpasste. Wie Mansky lässt auch Beckermann in ihrem Dokumentarfilm «Waldheims Walzer» das Archiv sprechen – und beleuchtet so immer auch unsere politische Gegenwart.

«Putin’s Witnesses» in: Zürich Riffraff; Bern Rex, ab 18. Oktober 2018; Luzern Bourbaki, So, 14. Oktober 2018, 11 Uhr; Winterthur Cameo, So, 21. Oktober 2018, 11 Uhr.

«Waldheims Walzer» in: Bern Rex; Zürich Xenix, So, 14./21./28. Oktober 2018, jeweils 12 Uhr.

Florian Keller

Im Prinzip weiblich

Bereits 2012 hat Meg Wolitzer in der «New York Times» mit dem despektierlichen Etikett «Frauenliteratur» abgerechnet. Und mit der Tatsache, dass stets nur Bücher von Männern in Betracht gezogen werden, wenn nach der «Great American Novel» gefahndet wird.

In ihrem neuen, weit ausgreifenden Generationenroman «Das weibliche Prinzip» zeigt die US-Autorin, dass sie selber locker in dieser Liga mitspielt. Ihren imposanten Figurenreigen gruppiert sie um zwei Frauen, die zwar persönlich mit ein paar Ecken und Kanten ausgestattet sind, aber auch einen glatten Corporate- und Weisse-Mittelklasse-Feminismus verkörpern – was sie allerdings beide in immer mehr Schwierigkeiten bringt. Angesichts des Falls um den US-Richter Brett Kavanaugh interessant: Es ist ein sexueller Übergriff im College, der die jüngere der beiden Frauen im Roman entscheidend politisiert.

Meg Wolitzer in: Zürich Kaufleuten, Mo, 15. Oktober 2018, 20 Uhr.

Daniela Janser