Angola: Vertreibung im Dienste des Business

Nr. 42 –

Hunderttausende KongolesInnen werden derzeit gezwungen, Angola zu verlassen – vermutlich, weil der Staat im südlichen Afrika mehr Profit aus dem Diamantenhandel schlagen will.

Über 200 000 Menschen sind innerhalb weniger Wochen vom Nordosten Angolas über die Grenze in die Demokratische Republik Kongo (DRC) geströmt. Das besagen Schätzungen kongolesischer Behörden. Tausende weitere fahren derzeit mit Autos, Bussen oder Lastwagen nordwärts zur Grenze, wo sie ihr Hab und Gut abladen und zu Fuss in der DRC eine Bleibe suchen. Es handelt sich dabei um kongolesische Staatsangehörige, die meist schon seit Jahren im südlichen Nachbarland gelebt haben.

Extreme Gewalt

Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) warnte am Dienstag, dass die – sowieso schon durch einen lokalen Konflikt erschütterte – Kasaï-Region der DRC kurz vor einer «humanitären Krise» stehe, sollte die Bevölkerungsbewegung anhalten. Die Grenzstadt Kamako sei längst an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen; sehr viele Menschen verbringen die Nächte draussen auf den Strassen, bei Familien oder in Kirchen. Für das UNHCR ist klar, dass es sich um eine «Massenvertreibung» durch die angolanische Regierung handelt. Das stehe im Widerspruch zur Afrikanischen Charta der Menschenrechte.

AugenzeugInnen berichten von extremer Gewalt bis hin zu Enthauptungen durch angolanische Sicherheitskräfte. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat ihre Analyse zu den Vorfällen noch nicht abgeschlossen, aber die für die Region zuständige HRW-Expertin Zenaida Machado meinte auf Anfrage, kongolesische MigrantInnen hätten den angolanischen Sicherheitskräften schon 2012 schwere Gewalttaten vorgeworfen, was HRW-Recherchen dann auch bestätigt hätten.

Dabei bedeutete die Wahl des aktuellen Präsidenten João Lourenço im vergangenen September zuerst einmal einen Hoffnungsschimmer für Angola. Lourenço löste den während vier Jahrzehnten autoritär regierenden José Eduardo dos Santos ab. Doch die Repression hat unter Lourenço höchstens unwesentlich abgenommen.

Im aktuellen Fall kommt wirtschaftliches Kalkül hinzu. Denn bei den nun Vertriebenen handelt es sich nicht um Menschen, die vor dem Konflikt in Kasaï geflohen waren, sondern um WirtschaftsmigrantInnen, die im Nordosten Angolas nach Diamanten schürften. Zwar gibt es auch in Kasaï solche Edelsteine, doch der Sektor ist staatlich reguliert und von Konzessionsunternehmen dominiert. In Angola war die Diamantenbranche bisher kaum formalisiert – was ein Schürfer fand, konnte er behalten und selbst weiterverkaufen.

Genau das will Präsident Lourenço nun auf einen Schlag ändern. Die Formalisierung der Diamantenminen ist Teil seines Plans, die Wirtschaft zu diversifizieren und damit auch die Staatseinnahmen weniger stark von der Erdölförderung abhängig zu machen.

Zynische «Operation Transparenz»

So hat die Regierung Lourenço im Juli ein neues Bergbaugesetz in Kraft gesetzt, das Investitionen im Diamantensektor verdoppeln soll. Und siehe da, bereits im September frohlockte das australische Unternehmen Lucapa Diamond Company, dank des neuen Gesetzes die Lizenz für ein «sehr vielversprechendes» 3000 Quadratkilometer grosses Gebiet erhalten zu haben.

Solche Deals könnten eine Erklärung für die Repression der angolanischen Sicherheitskräfte sein. Der Gouverneur der nordöstlichen Provinz Lunda Norte erläuterte, seine Polizeikräfte führten nur den Befehl des Präsidenten aus, die «irreguläre Einwanderung und illegale Diamantenförderung» zu beenden. Offizieller Name der Aktion: «Operation Transparenz». Das könnte eine zynische Anspielung auf die Forderung von Menschenrechtsorganisationen nach mehr Transparenz sein, die eigentlich verhindern soll, dass der Diamantenhandel der Finanzierung lokaler Konfliktparteien dient.

Die «Operation Transparenz» begann jedenfalls am 1. Oktober, als den ausländischen SchürferInnen eine Ausreisefrist von fünfzehn Tagen bekannt gegeben wurde. Inzwischen ist fast niemand mehr da. Die Repression wirkt, das grosse Business kann anrollen.