Im Affekt: Keine Ahnung ist auch eine Ahnung

Nr. 42 –

Es sind nur zwei Wörter, aber sie können einen die Wände hochtreiben: «Keine Ahnung.» Und vielleicht ist das genau der Grund, weshalb diese Wendung gerade zum heimlichen Schlüsselwort einer Generation avanciert ist. Wenn die Älteren so aufgeschlossen sind, dass sie bald jede Jugendmode selber mitmachen und sich durch keinen pubertären Unfug mehr aus der Fassung bringen lassen, kannst du es immer noch mit zur Schau gestellter Ahnungslosigkeit versuchen. Erst recht dann, wenn dieses Bekenntnis zur eigenen Ahnungslosigkeit als reine, völlig entleerte Formel benutzt wird.

Was habt ihr gestern gemacht? «Kei Ahnig, wir waren halt im Kino.»

Was habt ihr denn geschaut? «Kei Ahnig, ‹Bad Times at the El Royale› oder so.»

Und worum gehts da? «Kei Ahnig, um so ein Motel halt, wo ein paar Typen aufkreuzen, und am Ende sind die meisten tot.»

So redet sie, die «Generation Kei Ahnig». Selbst der banalsten Aussage stellt sie geradezu zwanghaft diesen Disclaimer voran, den sie dann gleich selber widerlegt.

Von der Haltung her ganz sympathisch, eigentlich: Diese Generation will nicht immer gleich dummdreist damit hausieren gehen, was sie selber alles weiss, sondern erst einmal markieren, dass es kein gesichertes Wissen gibt, dass man also selbst dann prinzipiell zu den Ahnungslosen gehört, wenn man de facto sehr wohl weiss, dass man mehr als nur eine Ahnung hat. Quasi voll der Neokartesianismus fürs postfaktische Zeitalter: Ich hab keine Ahnung, also bin ich.

Womöglich ist dieses Mantra eben auch ein beiläufiger Protest, eine fiese kleine Botschaft an die Grossen. Denn das ist ja genau das, was sich die Älteren, die sich immer so wichtig nehmen, in der Politik oder in der Wirtschaft, nie zu sagen getrauen, obwohl sie das, wenn sie ehrlich wären, andauernd einräumen müssten: «Keine Ahnung, ich weiss es wirklich nicht.»

Und wenn sie dann grösser werden und irgendwann vor dem Altar stehen, sagen sie: «Kei Ahnig, ja, ich will.»