Im Affekt: Keine Angst vor Plastik

Nr. 43 –

Das surrealistische Spektakel beginnt schon mit der ersten Einstellung des Videos: Von Kyary Pamyu Pamyus gelbem Rock starren uns lauter bunte Augen an. Dann tanzt und singt die mädchenhafte Gestalt zwischen Bergen von pastellfarbenem Spielzeug, als hinter ihr ein rotes Gehirn im Takt zu wippen beginnt. Totenköpfe und Panzer fliegen durch die Luft, und über einer animierten grünen Gans dreht sich eine Krone aus Gewehrkugeln. Der Titel des Songs, «Pon Pon Pon», bedeutet zwar nichts, doch in einem Interview erklärt die Sängerin: «Mein Konzept sind beängstigende Dinge, die dadurch traumatisch werden, dass sie süss sind.» Aha! Herrlich irritierend!

Kyary Pamyu Pamyu ist der grösste Popstar Japans und der erste, der im Westen über einen kleinen Kreis von Japan-Nerds hinaus bekannt geworden ist. Ihr verdichteter Plastikpop ist in seinen besten Momenten richtig euphorisch. Doch die an Gameboymusik erinnernden Sounds, die keine Sekunde lang einen Hehl daraus machen, dass sie aus einem Computer kommen, sind auch gewöhnungsbedürftig. Sich da etwas anzupassen, kann gar nicht schaden – immerhin leben wir in einer Popwelt, in der ein pseudoauthentischer Wuschelkopf mit Hundeblick und akustischer Gitarre namens Ed Sheeran immer noch am meisten Platten verkauft.

Doch Kyary Pamyu Pamyu muss man vor allem zuschauen. Es überrascht kaum, dass ihre Popkarriere zunächst nur ein Nebenprodukt war – bekannt wurde sie als Modebloggerin und Aushängeschild des extravaganten Kleiderstils ihres Tokioter Stadtteils Harajuku. «Zu japanisch», so reagierte ein Bekannter, der selber ziemlich abgedrehte Videos animiert, kürzlich auf ihre Ästhetik. Interessanterweise zeigt ihr Image in Japan gerade in die andere Richtung: «Kyary» ist nämlich eine phonetische Adaption von «Carrie» – den Namen erhielt sie, weil ihr Look mit blonder Perücke als besonders westlich wahrgenommen wurde. Solange es diesen Graben gibt, haben wir noch viele inspirierende Begegnungen vor uns.

Kürzlich erschien Kyary Pamyu Pamyus viertes Album, «Japamyu». Besonders euphorisch ist der Song «Harajuku Iyahoi».