«Abgehört»: Ungenierter Jargon

Nr. 49 –

Lange vor dem Musikjournalismus starb ja der Plattenladen. Meiner hiess «Musicbox», ein Keller in Winterthur, wo ich mindestens einmal pro Woche einige Stunden zum Probehören verbrachte, neue Platten auf den Ohren. Später, als der Laden sich vollends ins Netz verabschiedet hatte, lebte das Ritual im «Jamarico» weiter, aber seit die Zeit knapper geworden ist, simuliere ich es öfter bei «Abgehört» auf «Spiegel Online», bei Andreas Borcholte und seinen GastkritikerInnen.

Jeden Dienstag werden hier, Hörproben selbstverständlich eingebettet, vier neue Platten besprochen, und meist nicht grad die, die sowieso am Wegrand liegen. Manchmal treffen das unmittelbare Jetzt und das schon mehr als gut Abgehangene auf engstem Raum zusammen, jüngst etwa Jlin und Element of Crime. Auch für Musik aus der Schweiz hat man dort immer mal ein gutes Ohr, zuletzt bei Klaus Johann Grobe oder Steiner & Madlaina.

Jargon? Aber sicher, ganz ungeniert! Zeitweilig kam gefühlt jede Woche irgendwo das englische Wort «Moniker» vor, klingt halt nicht so bildungsbürgerlich wie «Pseudonym» oder «Künstlername». Der Gestus bei «Abgehört» tendiert zum Kennerhaften, wie sich das für Popkritik gehört, aber die ganze nerdige Kennerhaftigkeit ist selbstironisch abgefedert, der Ton so lässig, wie man sich das nur im kolumnistischen Format leisten kann.

Dafür jedenfalls, dass diese Popkolumne unter dem Banner des grossen Nachrichtenmagazins firmiert, ist die Auswahl stilistisch erfreulich weit gespreizt. Für meinen persönlichen Geschmack manchmal fast zu progressiv, aber so solls doch sein: Eine Kritik, die nur vorkaut, was uns sowieso schon gefällt, ist ja für gar nichts.

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