Auf allen Kanälen: Gleichstellung statt Kettensäge

Nr. 49 –

«Ernst» versucht die Rettung des Männermagazins. Aber ist ein progressives Magazin für «den Mann» überhaupt möglich?

Hat man am Kiosk die Schminktipps, Diäten und unwiderstehlichen Posen, um ihn zu verführen, endlich hinter sich gebracht, lauert schon das nächste Übel: Kettensägen, Fleisch, Autos und Muskeln zeigen ihm, was ihm umgekehrt wichtig sein muss. Frauenzeitschriften, Männerzeitschriften – im Prinzip verfolgen beide Produktgruppen das gleiche Ziel. Denn sowohl der Zielgruppe der Hetero-Cis-Frauen wie derjenigen der Hetero-Cis-Männer soll eines weisgemacht werden: Werde besser, stärker, fitter, sexyer, mehr ideale Frau, mehr idealer Mann. Zwischentöne stören da nur.

Seit 2017 versucht sich ein Schweizer Männermagazin nun genau an diesen Zwischentönen – «Ernst» heisst es, und der Name ist auch Programm. Die Auswahl der Themen fällt in dieser Sparte auf: Gleichstellungs-, Geschlechter- und Familienpolitik. Damit ist «Ernst» eine Art Lightversion seines Vorgängers. Das Magazin mit einer Auflage von 4500 Exemplaren und einer von Adrian Soller geleiteten ständigen Redaktion, die immer noch ausschliesslich aus Männern besteht, entstand aus der 2005 gegründeten «Männerzeitung». Diese wiederum wurde 2001 als «männer.be» von Markus Theunert gegründet, der vor ein paar Jahren mit seiner Männerbewegung für Furore sorgte.

Der «echte Mann»

Nur um das klarzustellen: Natürlich werden auch Männer diskriminiert, gibt es auch häusliche Gewalt an Männern und gesetzliche Missstände, etwa beim Vaterschaftsurlaub. Und natürlich leiden auch Männer unter den starren Geschlechterstereotypen, die immer noch allgegenwärtig sind. Gegen all das anzuschreiben, ist absolut wünschenswert. Ärgerlich dabei ist nur die Haltung, die in der «Männerzeitung» doch von Zeit zu Zeit vertreten wurde: Männer- und Frauenbewegungen seien im Prinzip analog zu sehen, denn die Diskriminierung von Männern halte sich mit derjenigen der Frauen ungefähr die Waage. Leider ist das haarsträubender Unfug und unterschlägt die Tatsache, dass Frauen weltweit unter struktureller Unterdrückung leiden, die von einer ganz anderen Qualität ist als die Diskriminierung von Männern. Dazu taucht auch immer wieder eine Rhetorik auf à la «Ein echter Mann schlägt nicht». Ein echter Mann? Ein anständiger Mensch schlägt nicht, fertig!

Die frühere «Männerzeitung» hatte als Ersatz für das Stereotyp des Mannes als gewalttätiger Proll kaum mehr zu bieten als einen immer noch starken Mann, der aber seine Familie mag, vielleicht einmal pro Woche einen Papitag einräumt und darunter leidet, wenn er sich trennt. «Ernst» öffnet das Spektrum der möglichen Männlichkeiten im Vergleich doch um einiges mehr. Und das ist gut so, denn diese Welt braucht andere, viele, diverse Entwürfe von Männlichkeit ganz dringend.

Verweiblichung?

«Ernst» schlägt vor allem einen leiseren Ton an – in Hintergrundartikeln, etwa über die Vielfalt von Transidentitäten, Reportagen, wie eine über ein Männerhaus, und vor allem in vielen Porträts. Dazu liefert das Magazin wie eh und je Adressen von Männergruppen, Beratungsstellen und Rückzugsorten.

Die «Berner Zeitung» hatte für das neue Konzept eine Erklärung: «Die Männerzeitung wird weiblicher.» Und der «Landbote» stellte erstaunt fest: «Ein Drittel der Leserschaft ist weiblich.» Ja, fragt man sich da, was bedeutet das denn nun? Kann es sein, dass es tatsächlich Themen gibt, die Frauen und Männer gleichermassen interessieren? Nun ja, für solche Interpretationen seitens der Presse kann «Ernst» nichts. Trotzdem zeigen die hilflosen Zuschreibungen ein Grundproblem von Männer- wie Frauenmagazinen und werfen die Frage auf, was es eigentlich bringen soll, von einem geschlechtsspezifischen Publikum auszugehen. Denn auch «Ernst» richtet sich an «den Mann» und zementiert dabei die Vorstellung von Interessenfeldern, die dem einen oder anderen Geschlecht grundsätzlich mehr zusagen.

Trotzdem: Dass «Ernst» dem Bild des holzhackenden, fleischfressenden Muskelprotzes etwas entgegensetzt und sich aufmacht, andere Entwürfe von Männlichkeit zu porträtieren, ist wichtig und richtig. Schlussendlich ist «Ernst» aber nicht weiblicher geworden, sondern einfach: besser.