The Quietus: Von Kraftwerk bis in die Zukunft

Nr. 49 –

Die Wirkung des Internets auf den Popmusikkanon ist paradox: Einerseits gehen im Netz endlose Zugänge zu allen möglichen Nischen auf; andererseits serviert es uns auch blitzschnell das algorithmisch berechnete Destillat unseres eigenen Geschmacks oder über Websites wie metacritic.com den Stand des Angesagten. Was nottut, ist also eine Popkritik, die mutig Breschen schlägt. Ein Garant dafür ist der eher mit Herzblut als mit Geld betriebene britische Blog «The Quietus». Als John Doran diesen vor zehn Jahren lancierte, setzte er einen eigenen Nullpunkt der Musikgeschichte – sie beginnt mit Kraftwerks «Autobahn» von 1974.

Einen stilistischen Fokus hat «The Quietus» nicht, nur einen Anspruch: wegweisende, herausfordernde, radikale Musik. Entdeckungen machen kann man auf der Seite nicht nur in den regelmässig publizierten Reviews, Features oder Interviews, sondern auch in den zuverlässig überraschenden Jahresendlisten. 2017 landete in den Top Ten neben den Abräumerinnen Fever Ray, Kelela und Princess Nokia etwa auch das Debütalbum des obskuren polnischen Folkjazzduos Zimpel/Ziolek.

Doch auf «The Quietus» wird nicht nur geschmackssicher empfohlen, sondern auch anregend und politisch gedacht. Kürzlich startete eine Serie zum Verhältnis von musikalischem Underground und rechtsextremer Ideologie. Der Auftakttext diskutiert verschiedene Versuche aus der britischen Popgeschichte, sich faschistische Symbole subversiv anzueignen, und stellt dann eine der zentralen Fragen des heutigen Popdiskurses: Wieso war es okay, als die Punksängerin Siouxsie Sioux 1976 mit Hakenkreuz auftrat, während das heute nicht mehr ginge?

www.thequietus.com