Hörspiel: Lukullus reloaded

Nr. 51 –

Das Himmelsgericht findet im Gotthardmassiv statt. Lukullus, der römische Feldherr, muss sich für sein Leben verantworten. Die Schöffen des Schattenreichs, ein Bauer, ein Sklave, ein Fischweib und eine Kurtisane, werden über ihn richten. Weder das pompöse Begräbnis noch ein Fries mit seinen Heldentaten noch die Anrufung Alexanders des Grossen als Fürsprecher können sie beeindrucken.

Bert Brecht und Margarete Steffin schrieben das «Verhör des Lukullus» 1939 im schwedischen Exil. Weil mit Lukullus unzweifelhaft Hitler gemeint war, lehnte das schwedische Radio die Ausstrahlung ab. So kam das Radiostück in die Schweiz, wo es am 12. Mai 1940 unter der Regie von Ernst Bringolf auf Radio Beromünster gesendet wurde. Die Schweiz war damals wegen eines möglichen Einmarschs der Nazis in Alarmbereitschaft versetzt. Die brisante Lage zeigte sich auch im Radiostudio, wo die Sprecher eine Pistole neben sich liegen hatten.

In einer gelungenen Collage thematisiert die Digitalbühne Zürich die Entstehungsgeschichte des Hörspiels sowie seine Ausstrahlung im Kontext der geistigen Landesverteidigung. Ausgerechnet über Radio Beromünster, der Antenne der helvetischen Kulturmission, wurde ein antifaschistisches Stück gesendet. Regisseur Bringolf wurde später kaltgestellt, der eigene Mut war nach dem Zweiten Weltkrieg vergessen: «Wir entschieden uns für Jeremias Gotthelf und nicht für Bert Brecht, wir wählten Franz Schubert und nicht den Neger Armstrong, weil der Mensch über der Hast des Tages das Grosse von gestern nicht vergessen darf», wird Radiodirektor Kurt Schenker zitiert.

Die Digitalbühne ist bekannt für ihren spöttischen Umgang mit Mythen und Riten, grossartig etwa ein Kinderchor, der die Taten des Feldherrn aus den Schulbüchern vorliest. Samuel Schwarz, Ted Gaier und Raphael Urweider dekonstruieren in ihrer Bearbeitung aber nicht nur die Vergangenheit, sondern katapultieren den Feldherrn in die Gegenwart, wo er als weinerliche Männerfigur erscheint. Brechts Hörspiel endete mit einem offenen Schluss, für eine Oper in der DDR schrieb er ein Urteil: «Ins Nichts mit ihm!»

«Lukullus» von Bertolt Brecht und der Digitalbühne Zürich: als Podcast auf der Website von Radio SRF.