Auf allen Kanälen: Duell um die Million

Nr. 2 –

Ist der Lokaljournalismus von morgen Print oder Online? In Basel konkurrieren zwei Medienprojekte um eine Million Franken.

Als vergangenen November die Basler «TagesWoche» eingestellt wurde, erhielten die AbonnentInnen einen Brief. Darin hiess es, man wolle sie für etwas Neues gewinnen: «Nächstes Jahr wird ein neues Basler Medienprodukt lanciert. Darin wird der Geist der ‹TagesWoche› weiterleben.» Und: «Das, was Sie an unserer Arbeit geschätzt haben, soll wieder regelmässig in Ihrem Briefkasten liegen.» Mitfinanziert werden sollte das neue Printprodukt mit einer Million Franken von der Stiftung für Medienvielfalt, der Besitzerin der eingestellten «TagesWoche» (siehe WOZ Nr. 45/18 ).

Was mit optimistischer Gewissheit verkündet wurde, ist jedoch alles andere als definitiv. Klar ist: Die Stiftung für Medienvielfalt stellt eine Million Franken für die Umsetzung eines neuen Basler Medienprojekts zur Verfügung. Unklar ist jedoch, ob dieses Geld an das geplante Projekt der ehemaligen «TagesWoche»-MacherInnen geht. Denn diese haben Konkurrenz bekommen, initiiert von Autor Guy Krneta. Es sei doch absurd, dass es in einer linken Stadt wie Basel nur noch zwei rechte Tageszeitungen aus Aarau und Zürich gebe, sagt er und ist überzeugt: «Es gibt eine politische Notwendigkeit für ein neues Produkt.» Dieses solle jedoch auf keinen Fall gedruckt werden, denn: «Print kostet, und wir würden das Geld lieber für Journalismus einsetzen. Wenn man Medien neu erfindet, muss man Online neu erfinden und über Basel hinausdenken.»

Gesetzt wird auf Identifikation

Deshalb hat Krneta Ende 2018 den Verein Medienzukunft Basel mitgegründet, um ein unabhängiges Onlinemedium aufzubauen. Im Auftrag des Vereins erarbeiteten Matthias Zehnder, ehemaliger Chefredaktor der «bz Basel», und Hansi Voigt, Gründer von «Watson», ein Konzept. Entstanden ist ein «föderalistisches Kooperationsmodell», in dem die Kulturberichterstattung ein grosses Gewicht erhält. Es soll eine enge Zusammenarbeit mit anderen lokalen Onlinemedien geben, Inhalte sollen gegenseitig ausgetauscht, allenfalls sogar Infrastruktur oder Software geteilt werden. Das Abo ist mit vierzig Franken pro Jahr relativ günstig, finanziert werden soll das Produkt, dessen Kosten mit zwei bis drei Millionen Franken budgetiert sind, von den LeserInnen, von Stiftungen und der Öffentlichkeit. Gesetzt wird auf die Identifikation der LeserInnen mit dem Medium, durch Veranstaltungen und Debatten. Voigt ist überzeugt: «Du kannst heute nicht mehr Information verkaufen, davon gibt es schon zu viel. Du musst Service, Glaubwürdigkeit und Identifikation verkaufen.»

«Menschengetriebener Ansatz»

Ähnlich sieht das Renato Beck, ehemaliger Koredaktionsleiter der «TagesWoche» und in der Projektgruppe mit der ehemaligen Geschäftsführerin Sibylle Schürch. Allerdings zieht er einen anderen Schluss: «Es gibt viel zu viel Online-News-Journalismus, und keiner ist rentabel. Die Welt braucht nicht noch mehr davon, selbst wenn dieser aus linker Optik kommt.» Er fände die Idee des Projekts um Krneta und Voigt medienpolitisch interessant, publizistisch jedoch nicht. Mit ehemaligen «TagesWoche»-Mitarbeitenden hat er ein Konzept für ein Monatsmagazin ausgearbeitet, mit einem «menschengetriebenen Ansatz»: «Basel ist eine überschaubare Stadt, in der es jedoch viele Milieus gibt, die nichts miteinander zu tun haben. Diese abzubilden und eine Art molekulares Aufschaffen der Stadt zu betreiben, wird unsere Aufgabe sein.» Als Lokaljournalist eines Monatsmagazins habe man Zeit, sich einem Thema sorgfältig anzunähern und Vertrauen zu den ProtagonistInnen aufzubauen, so Beck. Finanziert werden soll das Projekt von Stiftungen, LeserInnen und durch Inserate. Auch das Schaffen einer Community wird angestrebt: Die journalistischen Themen sollen von Veranstaltungen begleitet werden.

Eine Zusammenarbeit ist für beide Gruppen unvorstellbar, selbst wenn man politisch nicht weit voneinander entfernt ist – zu unvereinbar sind die publizistischen Ideen. Laut Andreas Miescher von der Stiftung für Medienvielfalt gibt es keinen Termin für eine Entscheidung: «Wir als Stiftungsrat haben das Interesse, dass das bestmögliche Medienprodukt für die Region Basel realisiert wird.» Ob er richtig wählt, werden schliesslich die Basler LeserInnen entscheiden.