Seenotrettung: Der Ungehorsam der Städte

Nr. 2 –

Kurz vor Redaktionsschluss kam endlich die erfreuliche Nachricht: Die 49 Geflüchteten, die teilweise seit fast drei Wochen vor der maltesischen Küste an Bord von zwei Rettungsschiffen ausharren mussten, dürfen an Land. Von einer «Ad-hoc-Vereinbarung» sprach der maltesische Regierungschef an einer Pressekonferenz am Mittwoch. Nun sollen sie und über 200 weitere Menschen, die Malta bereits im Dezember erreicht hatten, auf insgesamt acht Mitgliedsländer der EU verteilt werden. Dem Entscheid war ein wochenlanges Tauziehen um das Schicksal der Gestrandeten vorausgegangen.

Es war nicht das erste Mal, dass Malta und Italien, vor deren Küsten viele der Schiffe ankommen, sich weigerten, Menschen an Land zu lassen. Seit Juni regiert in Rom die Koalition aus der rechtsextremen Lega Nord und den populistischen Cinque Stelle. Und seit Monaten schon bleiben die Häfen blockiert, werden SeenotretterInnen denunziert und vor Gericht gestellt, ihre Schiffe beschlagnahmt. Auch im aktuellen Fall sollte an den Geflüchteten ein Exempel statuiert werden: Nur nicht zu solidarisch wirken, wird man sich in Rom und Valletta auch zum neuen Jahr vorgenommen haben. Bloss keinen Präzedenzfall schaffen.

Nun ist kurzfristig zwar eine Lösung gefunden, in Brüssel bleibt das Ringen derweil ohne Ergebnis: Seit Jahren schon harzt es beim Versuch, das Asylsystem so zu reformieren, dass die Verantwortung gerecht auf die Mitgliedsländer verteilt wird. Passiert ist bisher wenig. Dass sich die Länder Europas nun auf eine solidarische Politik verständigen werden, ist auch diesmal nicht zu erwarten.

Der Entscheid vom Mittwoch bekräftigt allerdings auch, dass Widerstand gegen die EU-Politik nicht zwecklos ist. Zuletzt hatten sich mehrere europäische Städte so lautstark zu Wort gemeldet wie selten zuvor. Europaweit wehrten sich die BürgermeisterInnen – auch in Italien und auf Malta selbst. Diverse italienische Küstenstädte boten die Aufnahme in ihren Häfen an – und taten dabei nichts anderes, als auf geltendes Recht zu verweisen. Denn Häfen unterstehen dem Seerecht, können also nicht eben mal geschlossen werden, weil ein Innenminister dies verlangt. Und auch in der Bevölkerung stehen längst nicht alle hinter der Abschreckungspolitik der Regierungen. Kürzlich bat der Bürgermeister von Neapel die EinwohnerInnen seiner Stadt um Mithilfe, worauf sich mehrere Tausend mit solidarischen Grüssen und konkreten Angeboten zu Wort meldeten.

Während der zivile Ungehorsam also immer grösser wurde, war es in der Schweiz zuletzt auffallend ruhig geblieben, auch unter den Städten. Zürich etwa ist Mitglied im europaweiten Netzwerk Solidarity Cities, prominent prangt das Konterfei von Stadtpräsidentin Corine Mauch auf dessen Website. Sie ruft dort ebenfalls zu Solidarität auf: «als Wert und in Form von Handlungen». Gerade Handlungen aber liessen auf sich warten. Zu keinem Zeitpunkt standen konkrete Hilfsmassnahmen für die 49 Geflüchteten oder zumindest Solidaritätsbekundungen zur Diskussion.