Kino-Film «Insularie»: Chalets im Ozean

wobei 1/

Nachdem er sich mit seinem Kapitän überworfen hatte, lebte der schottische Seefahrer Alexander Selkirk vier Jahre lang mutterseelenallein auf einer Insel vor der chilenischen Küste, bis er 1709 gerettet wurde. Seine Geschichte inspirierte Daniel Defoe zu «Robinson Crusoe». Später stilisierte sich der Berner Adlige Alfred von Rodt zum «zweiten Crusoe», als er 1877 zum Gouverneur der Insel ernannt wurde, die inzwischen 56 Menschen, 100 Kühe und unzählige wilde Ziegen beherbergte.

Anders als die Romanfigur gründete von Rodt eine Familie und blieb bis an sein Lebensende dort. Seine Versuche, auf dem kargen Eiland eine florierende Wirtschaft zu etablieren, scheiterten – seine Berner Familie musste ihm mehrmals grosse Geldsummen schicken. Die Nachkommen seiner sechs Kinder gehören heute zur Elite der Insel, das Restaurant «Baron de Rodt» lockt TouristInnen aus aller Welt an. Und dank der Wiederaufbauprojekte nach dem schweren Tsunami im Jahr 2010 wurde die Insel zum Magnet für Arbeitssuchende vom Festland.

Der Lausanner Dokumentarfilmer Stéphane Goël hat zwei Monate dort verbracht, um das Inselleben in all seinen widersprüchlichen Facetten zu beobachten. Die Holzhäuser im helvetischen Stil sind selbstverständlich mit schweizerischen und chilenischen Fahnen verziert, und von Rodts Urenkel erzählen stolz von der Arbeitsmoral, die ihnen ihre Vorfahren beigebracht haben. Und sie schauen misstrauisch auf die Neuankömmlinge, die «plasticos», die erstmals Plastikmüll auf die Insel gebracht haben sollen und den knappen Lebensraum noch enger machen könnten.

Den Kommentar zum Film schrieb der Drehbuchautor Antoine Jaccoud nach Briefen von Alfred von Rodt, die im Archiv der Burgergemeinde Bern aufbewahrt sind. Die deutsche Fassung spricht Pedro Lenz in seiner eigenen Übersetzung. Der Baron und Exsöldner sinniert darin über sein Leben als Abenteurer und Kolonialherr und schwärmt von der rauen Schönheit der Insel, die ihn nicht mehr losliess. Vom Heimweh blieb er aber nicht verschont: Einmal spielte er sogar mit dem Gedanken, ein ganzes Chalet aus Interlaken zu sich verfrachten zu lassen, auch wenn er beim Blick aus dem Fenster nicht die Alpen gesehen hätte, sondern den Ozean. Und so spiegelt sich in Goëls Porträt des Crusoe- Eilands nicht zuletzt auch die schweizerische Inselmentalität.

In: Solothurn, Reithalle, Sa, 26. Januar 2019, 12.30 Uhr, und Landhaus, Mo, 28. Januar 2019, 9.15 Uhr.

Insulaire. Regie: Stéphane Goël. Schweiz 2018