Kino-Film «Pearl»: Wenn die Mutter Muskeln zeigt

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Es beginnt mit extremen Nahaufnahmen menschlicher Haut, man glaubt, jede Pore, jeden Schweisstropfen zu sehen. Die Szenerie ist düster, erst langsam erkennt man eine Schulterpartie, bis die Kamera schliesslich den Blick so weit freigibt, dass im Gegenlicht eine Gestalt beim Stemmen von Hanteln zu sehen ist. Ob Mann oder Frau, weiss man noch nicht. Dann erscheint der Filmtitel, und wir sehen eine Person von hinten, die durch Katakomben schreitet. Es sind die Gänge eines Luxushotels, dann ein kurzer Schwenk auf ein Plakat, «Heavenly Contest», und auf eine Reihe aufgepumpter Männer- und Frauenkörper: Willkommen in der Welt eines Bodybuildingwettkampfs.

Der Mann aus den Katakomben heisst Al und ist Trainer und Manager von Lea Pearl, die er offenbar zu dieser Muskelmasse mitgeformt hat. Gespielt wird Pearl von der Schweizer Bodybuilderin Julia Föry in ihrer ersten Filmrolle, als Trainer an ihrer Seite wirkt Peter Mullan («My Name Is Joe») fast so furchterregend wie einst als Alkoholiker in «Tyrannosaur» (2011). Al will mit Pearl den Wettbewerb gewinnen, doch mitten in den Vorbereitungen taucht unvermittelt deren Ex auf. An der Hand hat er den gemeinsamen Sohn, und er hat genug von seiner Rolle als alleinerziehender Vater.

Es ist eine minimalistische Geschichte, die Elsa Amiel in ihrem Erstling erzählt: sparsame Dialoge und eine latent bedrohliche Atmosphäre, die an David Lynch gemahnt. Die 1979 in Paris geborene Amiel war viele Jahre in Frankreich als Regieassistentin von RegisseurInnen wie Mathieu Amalric, Bertrand Bonello oder Noémie Lvovsky tätig. Daneben realisierte sie immer wieder auch eigene Kurzfilme. Ihr Flair für extreme Körperbilder hat sie schon in ihrem schwarzweissen Boxerdrama «Faccia d’Angelo» (2007) bewiesen.

Filme über Bodybuilding gibt es bisher kaum, eine der raren Ausnahmen war jüngst Denis Côtés Dokumentarfilm «Ta Peau si lisse», wo die seelische Verletzlichkeit von Mannsbildern im Zentrum stand. Auch bei Elsa Amiel wird viel gelitten, aber darüber hinaus stehen hier auch traditionelle Geschlechterrollen zur Disposition. Das zeigt sich nicht nur in den vermeintlich «männlichen» Körperbildern der Frauen mit ihrer übersteigerten Muskelmasse, sondern auch in Pearls verzweifeltem Bemühen, von ihrem Sohn am Ende gleichwohl als Mutter akzeptiert zu werden.

In: Solothurn, Reithalle, Fr, 25. Januar 2019, 18.15 Uhr, und Landhaus, Di, 29. Januar 2019, 20.30 Uhr.

Pearl. Regie: Elsa Amiel. Frankreich/Schweiz/Monaco 2018