Spaniens Frauenbewegung: Ein Tag? Eine Woche!

Nr. 11 –

Anderthalb Millionen füllten am 8. März die Strassen Spaniens, um gegen die Benachteiligung der Frauen zu demonstrieren. Keine andere Bewegung im Land vermag es, so viele zu mobilisieren.

Spaniens Frauen wollten am 8.  März agitieren und feiern. Und sie hofften, den Erfolg von 2018 zu wiederholen, als Hunderttausende gegen die ungleiche Behandlung der Geschlechter demonstrierten. Beides ist gelungen: Vergangenen Freitag überschwemmte eine «marea violeta» (violette Flut) tanzend und singend die Strassen fast aller Städte des Landes.

Zu den Demonstrationen hatte die «Comisión 8M» aufgerufen, ein Zusammenschluss verschiedener Frauengruppen für den Weltfrauentag. Ebenso zum 24-stündigen Arbeits-, Pflege-, Hausarbeits- und Konsumstreik. Wie hoch hier die Beteiligung war, ist schwer zu sagen: In den meisten Medien sah und hörte man am Freitag zwar keine Frauen, aber vermutlich konnten es sich nur wenige leisten, ihre unselbstständige Arbeit niederzulegen.

«In meinem Gesundheitszentrum war ich die Einzige, die heute gestreikt hat», sagt Rut Suárez, 42-jährige Hausärztin in Sevilla. «Und dafür wird mir mehr von meinem Gehalt abgezogen, als ich überhaupt an einem Tag verdienen würde.»

Sexistische Justiz im Visier

Schon während der ganzen Woche fanden kleinere Demonstrationen mit je einigen Tausend Menschen statt, dazu Seminare, Sportveranstaltungen und Kundgebungen. Ausserdem wurden massenweise Reklamationen und Beschwerden gegen frauenfeindliche RichterInnen eingereicht. Der «8M» war in Spanien nicht nur ein Tag, sondern eine ganze Woche.

Am eigentlichen Frauentag, dem 8.  März, gingen dann circa 1,5  Millionen SpanierInnen auf die Strassen: gegen sexistische Männergewalt, Rassismus und Diskriminierung im Arbeitsmarkt sowie für ihre sexuellen und reproduktiven Rechte, ihre Freiheit und Gleichberechtigung. Laut Angaben der Polizei nahmen in Madrid 375 000 Menschen an der Hauptdemonstration teil, in Barcelona 200 000, in Bilbao 70 000, in San Sebastián 50 000, in Valencia bis zu 60 000 (die Zahlen der Organisatorinnen liegen weit höher).

In Sevilla kamen 130 000 Menschen zum Protestmarsch, der unter dem Motto «Feministische Revolution – Jetzt und immer» am Abend durch das Zentrum zog. Unter ihnen auch viele Männer, wie etwa Juan Ardilla: Der pensionierte Lehrer war dabei, weil er glaubt, dass mit dem Einzug der faschistoiden Partei Vox ins andalusische Regionalparlament die Situation für alle schlimmer wird, nicht nur für Frauen.

Diese Befürchtung teilen viele. Während vergangenes Jahr ein skandalöses Gerichtsurteil Empörung schürte, bei dem drei ältere Richter eine Gruppenvergewaltigung infrage stellten und die Täter nur wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten, trieb dieses Jahr der Rechtsruck in der Politik die SpanierInnen auf die Strasse: Vox verfolgt gezielt eine frauen- und LGBTIQ-feindliche Politik und will gleich alles abschaffen, was «den spanischen Mann diskriminiert». Der rechte Partido Popular fordert eine Änderung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch und die Annullierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, die neoliberalen Ciudadanos verteidigen die Leih- oder Mietmutterschaft und wettern gegen gendergerechte Sprache.

Podemos tritt ins Fettnäpfchen

Dass dennoch ein paar Ciudadanos-PolitikerInnen auf der Demo in Madrid zu sehen waren, liegt an den bevorstehenden Wahlen: Am 28.  April wird über das neue Parlament abgestimmt, Ende Mai sind Kommunal-, Regional- und EU-Wahlen. Und 51  Prozent der spanischen WählerInnenstimmen kommen von Frauen. Das weiss auch der sozialdemokratische PSOE, dessen Ministerinnen ebenso zum Protest in die Hauptstadt kamen wie PolitikerInnen der Linkspartei Podemos. Letztere sicher aus Überzeugung, aber auch, weil ihre Partei zwei Tage zuvor schwer ins Fettnäpfchen getreten war: Ausgerechnet in der Woche des 8.  März kündigte Podemos lautstark die Rückkehr ihres Vorsitzenden Pablo Iglesias in die Politik an, nach seinem dreimonatigen Vaterschaftsurlaub. Und sie tat dies mit einem Plakat, auf dem Iglesias unter der Überschrift «Vuelve» (Er kommt zurück) zu sehen ist, wobei «el» (er) farblich noch hervorgehoben ist. Iglesias, das Alphamännchen der Linken.

Bis zur Gleichberechtigung liegt noch ein langer Weg vor den SpanierInnen. Die vergangenen zwei Jahre aber haben gezeigt, dass die spanische Frauenbewegung immer stärker wird und sich nicht von leeren Versprechen blenden lässt. Ende April wird sich zeigen, ob das auch auf die TeilnehmerInnen der letzten Mobilisierungen zutrifft.