Pop: Mundart kosmisch

Nr. 12 –

Wir sehen einen Pistenwart beim Ritual am frühen Morgen: Er trinkt Tee mit Schuss, schlägt einen Zaun in den Schnee und tanzt zu einem reduzierten Bass-Lick und düsteren Discofanfaren, die aus einem Radio kommen.

Den Soundtrack zum Ritual spielen Stahlberger mit «Munzigi Teili» von ihrer aktuellen Platte «Dini zwei Wänd». Der Song funktioniert eher wie elektronische Musik als wie Pop; sein abstrakt gehaltener Text klingt wie ein Bericht aus einem surrealen Physikseminar, es geht um eine unendliche Sauce und riesige Klumpen. Im Video zeigt ein Perry-Rhodan-Buch in der Hütte des Pistenwarts schon mal in Richtung Weltall – nach einem letzten Tanz wird dieser von einem Ufo eingesaugt. Sie steht Stahlberger gut, diese kosmische Wende. Besser als der noch stärker am Rock orientierte Mundartpop, mit dem die St. Galler Band auf ihrem letzten Album, «Die Gschicht isch besser» von 2014, nicht mehr so begeistern konnte wie auf den ersten beiden Alben.

Nun also ändert die Band den Kurs: Sie liess Songs organisch in Jams entstehen, nahm immer wieder auf, statt vorgängig zu planen. Doch eigentlich hat sich dieser dunkle, spacige Sound angekündigt, auf Manuel Stahlbergers Soloalbum «Kristalltunnel» von 2016 etwa oder bei Lord Kesseli and the Drums, der Band der Stahlberger-Mitglieder Michael Gallusser und Dominik Kesseli.

Trotz all der wolkigen Sphären – in «Isfäld» fliegen wir gar durch einen wiederkehrenden Traum von Manuel Stahlberger – ist die lakonische Kritik des alltäglichen Schweizer Albtraums geblieben. Sie hat nur an klaustrophobischer Atmosphäre gewonnen. Ganz wörtlich wird diese in «Schäbikon», wenn die BewohnerInnen irgendeines Kaffs in ihrem Haus sitzen und langsam in den Wahnsinn getrieben werden: «Sie händ kei Luft, sie händ alli weggschnuft.»

Abgründig wirkt das auch darum, weil es so klingt: Die Synthies hängen über allem wie ein aufziehendes Gewitter oder ziehen spiralförmige Schleifen. Und uns immer tiefer hinein.

Plattentaufe: St. Gallen, Palace, Freitag/Samstag, 19./20. April 2019.

Stahlberger: Dini zwei Wänd. Irascible. 2019