Im Affekt: Lieber Frank A. Meyer

Nr. 18 –

Offen gestanden, Sie verwirren mich. In Ihrer «Blick»-Kolumne lassen Sie ja immer wieder gerne durchblicken, dass Sie etwas in der WOZ gelesen haben. Es freut uns natürlich, wenn wir auch vom Citoyen in dessen bürgerlichem Salon konsultiert werden. Wenn man dann aber liest, was Sie von Ihrer Lektüre wiedergeben, drängt sich oft die Frage auf: Lesen Sie uns wirklich, oder blättern Sie nur? Viel vom Gelesenen scheinen Sie jedenfalls nicht zu behalten.

Jüngst ist Ihr Blick auf den Bericht über die umstrittene Ausstellung mit zeitgenössischer muslimischer Mode in Frankfurt gefallen. Unser Kollege rekapitulierte darin die Kontroverse mit Angriffen von links wie rechts schon im Vorfeld, er zeigte sich fasziniert von der Vielfalt zwischen Haute Couture und urbaner Streetwear, aber auch irritiert von der teils unkritischen bis unterwürfigen Präsentation.

Nur, bei Ihnen, Herr Meyer, scheint nichts davon angekommen zu sein. In Frankfurt wird muslimisch geprägte Mode ausgestellt, die mit religiösen Codes spielt oder diese auch nur bekräftigt? Interessiert Sie nicht, denn Islam heisst bekanntlich immer und überall: Totalitarismus, religiöser Faschismus, brutale Unterdrückung der Frau. Und wenn eine linke Zeitung sich mit einer solchen Modeschau befasst, nährt das doch nur Ihre neuste Lieblingsthese, die Sie bei jeder Gelegenheit zum Besten geben: Die Linke sei die neue Rechte, weil sie Freiheit und Gleichheit immer nur für sich fordere, nie für die verschleierte Muslimin.

Ich habe zwar keine Ahnung, wo Sie das herhaben, aber falls Sie solche begriffliche Schindluderei für angewandte Dialektik halten, sollten Sie vielleicht wieder mal bei Gevatter Hegel nachschlagen. Wobei, um es in Ihren eigenen Worten zu sagen: Wer die endgültige Antwort hat, sich also im Besitz der Wahrheit wähnt, muss nicht mehr lesen. Auch nicht die WOZ.

Wenn er nicht grad die WOZ liest, macht sich FAM etwa für die Konzernverantwortungsinitiative stark. Noch gibts Hoffnung!