Berner Sozialhilfegesetz: Ein Sieg mit Signalwirkung

Nr. 21 –

Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg war sich seiner Sache allzu sicher gewesen. Schliesslich ist der Kanton Bern überwiegend stockbürgerlich – und damit ein ideales Übungsfeld für das SVP-Projekt Sozialabbau. Schnegg wollte mit seiner Vorlage den Sozialhilfegrundbedarf drastisch senken. Stattdessen setzten die StimmbürgerInnen am Sonntag mit ihrem Nein ein Zeichen gegen eine weitere Entsolidarisierung.

Nach der erfreulichen bürgerlichen Niederlage bleiben zwei Fragen: Wie war das Resultat möglich? Und wird es Signalwirkung haben? Denn Bern sollte nur der Anfang sein: Ähnliche Vorstösse sind etwa in den Kantonen Aargau und Baselland hängig. Deren BefürworterInnen reden nun das Berner Resultat klein: Ihr Kanton sei nicht mit Bern vergleichbar, sagt die Aargauer SVP-Frau Martina Bircher, da es im Aargau keine grossen linken Städte gebe.

Tatsächlich stimmten die Städte Bern (mit 72,4 Prozent) und Biel (mit 60 Prozent) klar gegen Schneggs Vorlage. Doch ist das Land, wie der abtretende Skos-Kopräsident Felix Wolffers sagt, «nicht a priori unsolidarisch»: Auch Agglomerationsgemeinden wie Muri oder Köniz lehnten die Kürzungen ab. Das zeige, dass es bis weit in bürgerliche Kreise hinein ein Unbehagen dabei gebe, SozialhilfeempfängerInnen die ohnehin schon knappe Unterstützung zu kürzen. Wolffers glaubt, dass der auch von den Landeskirchen unterstützte Gegenvorschlag entscheidend zur Meinungsbildung beigetragen hat. Dieser verlangte einen moderaten Ausbau der Sozialhilfe und zeigte laut Rahel Ruch vom Grünen Bündnis auf, dass in der Sozialhilfe tatsächlich Handlungsbedarf besteht: «Die Beiträge sind zu tief und die Unterstützung vor allem bei der Weiterbildung ungenügend.» Ruch wertet das Resultat als positiv für kommende Diskussionen: «Man wird sich zweimal überlegen, ob man die Skos-Richtlinien angreifen will, wenn man damit zu scheitern droht.»

Auch Wolffers hofft auf eine Verschiebung des öffentlichen Diskurses. Durch die mediale Berichterstattung der letzten Monate sei das Wissen über die Sozialhilfe gestiegen. Die BernerInnen hätten sich von Fakten leiten lassen, nicht von Vorurteilen.