Im Affekt: Brauen, um zu leben

Nr. 25 –

Manchmal beherrschen ja gerade diejenigen das Spiel des Marktes am besten, die vorgeben, das Gegenteil davon zu wollen. Die Kommunistische Partei von China ist ein Beispiel, oder die Mönche der Abtei Sankt Sixtus in einem Dorf in der belgischen Provinz Westflandern. Diese Mönche brauen nämlich ein Bier, das einige BierkritikerInnen für das beste der Welt halten. Doch das scheint die Mönche nicht gross zu kümmern, sie unternehmen nämlich null Anstrengungen, daraus Kapital zu schlagen. Ihr grandioses Motto: «Wir brauen Bier, um zu leben, wir leben nicht, um Bier zu brauen.»

Aber sind die Mönche von Sankt Sixtus dem Markt tatsächlich so stoisch enthoben, oder ist das alles nur geniales (Anti-)Marketing? Weder noch, denn offenbar empfinden sie den grossen Andrang vor allem als Störung ihrer Klosterruhe. Man stelle sich das einmal vor: Da beherrschen diese Mönche ein Handwerk offenbar so gut wie kaum jemand auf der Welt, aber denken nicht einmal daran, diesem ihr Leben zu widmen. Auch wenn man kein Fan von süsslichem, würzigem, ultraschwerem belgischem Bier ist, will man dieses hier unbedingt probieren – quasi in Flaschen abgefüllte Wahrhaftigkeit!

Die Mönche, die man sich als schelmische Humoristen vorstellt, bleiben der Öffentlichkeit nicht nur fern, sie machen es auch beinahe unmöglich, ihr Produkt überhaupt zu kaufen. Immerhin haben sie nun einen Webshop aufgeschaltet – abholen muss man das trotz riesiger Nachfrage seit 1946 jährlich in gleicher Menge produzierte Bier aber immer noch persönlich bei der Abtei. Aufs Mal kaufen kann eine Person höchstens zwei Kisten à je 24 Flaschen, und das nur alle sechzig Tage. Wer das Bier, das unter zwei Euro pro Flasche kostet, weiterverkauft, riskiert eine Klage.

Bevor es den Webshop gab, musste man vor der Abholung bei einer Hotline anrufen. Natürlich wollten wir es wissen, als wir in Belgien waren, und probierten es lange vergeblich. Schliesslich erreichten wir auf einer anderen Nummer eine Mitarbeiterin im Besucherzentrum der Abtei. Ihre Antwort: «Es gibt gerade kein Bier, die Mönche sind in den Ferien.»

Was man von diesen Mönchen auch lernen kann: Wo wahres Craft Beer drinsteckt, steht das nie drauf.