#digi: Was soll Werbung dürfen?

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Der Big Brother Award ist eine unbeliebte Ehrung. Der Negativpreis geht an jene, die «in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen sowie persönliche Daten verkaufen». An der letzten Verleihung Anfang Juni erhielt auch die «Zeit» einen Preis. Sie verwendete auf ihrer Website Werbetracker und Facebook-Pixel. Hinzu kam der Umgang mit persönlichen Daten beim Projekt «My Country Talks». Daran war im Rahmen von «Die Schweiz spricht» letzten Herbst unter anderem auch die WOZ beteiligt.

Eigentlich hätte die gesamte Medienbranche den Preis verdient. Denn Werbetracker und Analysedienste sind omnipräsent – geliefert von Facebook und Google. Beim Projekt «My Country Talks» kommt erschwerend hinzu, dass die Fragen zur politischen Einstellung besonders persönliche – und damit für die Werbung interessante – Daten liefern. Entsprechend vorsichtig muss der Umgang sein. Deshalb entschied sich die WOZ, alle Daten nach der Aktion unwiderruflich zu löschen und nicht zu Werbezwecken zu verwenden.

Nun wehrt sich die «Zeit» gegen die unrühmliche Auszeichnung und zeigt auf, dass dem Rechercheteam der Big Brother Awards einige Fehler unterlaufen sind. Die persönlichen Daten von «My Country Talks» wurden beispielsweise nicht wie behauptet in den USA gespeichert, sondern auf einem Server in Deutschland. Auch sei die Plattform zwar finanziell von Google unterstützt worden, doch das Geld floss vollumfänglich in die externe technische Entwicklung bei einer Berliner Agentur.

Das grundlegende Problem bleibt: Medien kommen ohne Werbung und Marketing nicht aus. Mittels Tracking sammeln sie personalisierte Daten. Dabei ist die Absicht, die eigene Kundschaft besser zu kennen und mit ihr in direkten Kontakt zu treten, nicht per se schlecht. Leider beruht das mittlerweile kaputte Geschäftsmodell darauf, diese Daten an Überwachungsgiganten zu veräussern, um wenigstens ein bisschen an deren zweifelhaftem Erfolg teilzuhaben. Eindringliches und permanentes Datensammeln ist deshalb trauriger Standard.

Die «Zeit» ging nun über die Bücher und will datensparsamer arbeiten. Die Hoffnung besteht also, dass der Preis zu einem Umdenken und zu besseren Richtlinien für angemessene Werbung führen wird.