#digi: Die Flucht in den digitalen Tod

Nr. 28 –

In der Videospielszene herrscht bisweilen ein hasserfüllter Umgang. Insbesondere bei kompetitiven Spielen beleidigen sich immer wieder SpielerInnen und wünschen sich gegenseitig den Tod – nicht nur virtuell. Unter dieser toxischen Atmosphäre leiden Frauen zusätzlich, weil sie oft auch mit sexistischem Hass überhäuft werden. Das musste in den vergangenen Wochen eine fünfzehnjährige Spielerin mit dem Pseudonym Bocchi erfahren.

Alles begann damit, dass die bis dato unbekannte Teenagerin an einem «Super Smash Bros. Ultimate»-Turnier in einem umkämpften Ausscheidungsspiel gegen einen mehr als zehn Jahre älteren Profispieler gewinnen konnte. Blitzschnell diskutierte die Kampfspielszene den Coup. Doch nebst Gratulationen schlug ihr auch eine Hasswelle entgegen. Vor allem reduzierte das von jungen Männern dominierte Umfeld die unverhoffte Bekanntheit auf ihre Geschlechtsidentität. Aussagen wie «Kaum macht eine Gamerin mal etwas Beeindruckendes, hat sie sofort eine Fangemeinde» oder «Sie benutzt doch bloss den grässlichen Zustand unserer Szene, um berühmt zu werden» waren dabei noch harmlos. In verschiedenen Foren wurde Bocchi als «foid» beschimpft – ein misogynes Slangwort für «weiblicher Humanoid». Hinzu gesellten sich wenig hilfreiche Ratschläge erwachsener Männer: «Wieso nimmt sie das persönlich? Es sind nur Worte auf dem Bildschirm, die dein echtes Leben nicht beeinflussen. Menschen brauchen einfach eine dickere Haut.»

Wie sehr dieses digitale Mobbing der jungen US-Amerikanerin zusetzte, liess sich bis vor kurzem auf ihrem Twitter-Profil nachlesen. «Ich wünschte mir, ich hätte dieses Spiel verloren. Die Bekanntheit hat mir nichts ausser Stress gebracht. Und das Schlimmste daran ist, ein Mädchen zu sein.» Später kündigte sie an, die Szene verlassen zu wollen, weil ihr die Aufmerksamkeit und der damit einhergehende Hass zusetzten. Berichte in Onlinemedien lösten zwar Unterstützung aus und liessen Bocchi anfänglich umdenken. Nachdem die Beschimpfungen jedoch nicht nachgelassen hatten, flüchtete sie in den digitalen Tod – und löschte ihre Profile in den sozialen Medien. So ergeht es leider täglich Tausenden, die im Netz das Ziel von Hass und Diskriminierung sind.