King Crimson: Gar nicht erst Rock ’n’ Roll

Nr. 28 –

Man merkt schnell, hier spielt keine coole Band. Es gibt Bratwürste und Dosenbier, der durchschnittliche Zuschauer ist ein alter Hippie in einem Shirt von The Grateful Dead. Dann dieser pseudoatmosphärische Ort, an dem die Band letzte Woche das Schweizer Konzert ihrer Fünfzig-Jahr-Jubiläumstour spielte: das Theater des Baselbieter Römerdorfs Augusta Raurica. Doch die Musik, die wir dann hören, ist kein schaler Aufguss oder ein nach Woodstock miefender Jam, sondern lebendig und verworren, episch und dabei erstaunlich glaubwürdig.

Die Rede ist von der britischen Band King Crimson, und dass ihre Musik immer noch so elektrisieren kann, mag erstaunen: Progressive Rock, ein um 1970 geborener, von klassischer Musik und Jazz inspirierter Stil mit intellektueller Aura, wurde spätestens durch den Punk vollkommen diskreditiert. Tatsächlich würde das meiste davon lächerlich klingen, würde man es heute noch spielen.

Doch King Crimson waren immer anders. Das hat viel mit Robert Fripp zu tun, dem einzigen ständigen Mitglied und stillen Regisseur der Band. Als Rockmusiker ist Fripp, der Igor Strawinsky als seinen wichtigsten Einfluss nennt, ein völliger Exzentriker: Er sitzt stets zuhinterst auf der Bühne, die Gitarre auf den Knien, trägt Fliege oder Krawatte, macht keinen Wank. Fripp hat gar nie probiert, Rock ’n’ Roll zu sein, darum kann er diesen auch problemlos überdauern.

Immer wenn Fripp die künstlerische Kraft von King Crimson erschöpft wähnte, löste er die Band kurzerhand auf – dreimal schon – und hat sie so vor Peinlichkeiten bewahrt. Heute spielt Fripp zusammen mit alten und neuen Weggefährten lange Konzerte mit Stücken aus allen Epochen der Bandgeschichte – unter den sieben Musikern: drei Schlagzeuger.

Bis auf ein paar überflüssige Solos hat dieser überdimensionierte Maschinenraum durchaus seinen Sinn. Er versetzt die feingliedrige Mechanik aus evolvierenden Gitarrenläufen, aberwitzigen Polyrhythmen und wuchtigen Riffs in Bewegung. Natürlich hat man «One More Red Nightmare» oder «Larks’ Tongues in Aspic» (Teil 1 und 2) nur in den siebziger Jahren schreiben können, aber hören sollte man sie immer noch.