Klimaproteste: Und ganz plötzlich ist es still in der Einkaufsmeile des Zürcher Flughafens

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Nach sieben Minuten erwachen die Toten wieder: «Die-in» der Klimabewegung vom 13. Juli 2019 im Flughafen Zürich. Foto: Florian Bachmann

Punkt 14 Uhr gibts die ersten Toten. Gerade sind sie noch durch den Zürcher Flughafen flaniert, haben Picknick gekauft und im nahen Beautyshop Kosmetika getestet. Jetzt eilen sie herbei, Rollköfferchen im Schlepptau, fallen um und bleiben reglos liegen. Nur ein grosser, stämmiger Mann steht noch, streckt die Arme zum Himmel aus und singt.

Manche Aktionsformen muss man ausprobieren, um zu sehen, ob sie funktionieren. So wie dieses «Die-in» der Klimabewegung letzten Samstag. Am Flughafen herrscht Hochbetrieb, in Zürich beginnen die Ferien, gestresste Familienväter wuchten gigantische Koffer herum. Die Polizei weiss, dass etwas im Busch ist, und patrouilliert schwer bewaffnet. Aber alle Anwesenden kontrollieren kann sie nicht – leider. Das würde den Flughafen nicht nur symbolisch lahmlegen.

Plötzlich ist es fast vollkommen still, seltsam feierlich, nur das Lied ist leise zu hören. Der Sänger ist der Bündner Linard Bardill, er sieht aus wie ein Baum zwischen den Toten, und von einem Baum handelt auch das Lied, wie er später erklärt: von einer Arve im Tamangur, dem höchstgelegenen Wald der Schweiz. Der sei lange bedroht gewesen, weil die Leute zu viel Holz gefällt und die Tannenhäher abgeschossen hätten, die die Arvennüsschen weiterverbreiteten. Der Tamangur sei ein Symbol für Heilung. «Ich kann nur von Hoffnung singen, nicht von Verzweiflung.» Man kann von Bardills Liedern und Märchen halten, was man will, aber die Aktion lässt einen starken Moment entstehen an diesem von hirnlosem Konsum geprägten Ort. Nach sieben Minuten erwachen die Toten, und der Ruf «Climate Justice!» widerhallt laut von den Wänden der Einkaufsmeile.

Die Staatsanwaltschaften Zürich und Basel-Stadt versuchen derweil weiter, die AktivistInnen einzuschüchtern, die letzte Woche für kurze Zeit UBS und Credit Suisse blockierten (siehe WOZ Nr. 28/2019 ). Allen Beteiligten wird Nötigung vorgeworfen, in Basel zusätzlich Landfriedensbruch und Sachbeschädigung, einigen noch weitere strafbare Handlungen. «Es wirft viele Fragen über den Zustand unserer Demokratie auf, wenn friedlich Protestierende auf diese Weise kriminalisiert werden», sagt Frida Kohlmann vom Collective Climate Justice zur WOZ. Das Kollektiv sammelt zurzeit Berichte über die Haftbedingungen, um sie zu veröffentlichen.

Am Dienstag hat das Bundesamt für Umwelt gemeldet, dass der CO2-Ausstoss aus Treibstoffen 2018 unverändert geblieben ist. Die Emissionen aus internationalen Flügen sind dabei übrigens nicht mitgezählt. Der Klimastreik bleibt bitter nötig.

Wer 2020 aufs Fliegen verzichtet, kann sich auf flugstreik.earth eintragen.