Frankfurt und die Folgen: Subjektive Gefühle, rassistische Reflexe

Nr. 32 –

Die Debatte war laut und streckenweise sehr hässlich: Am Montag vor einer Woche stiess ein Mann am Frankfurter Bahnhof eine Frau und ihren achtjährigen Sohn vor einen Zug, woraufhin das Kind verstarb. Im hitzigen Zentrum der Auseinandersetzung stand sofort die eritreische Herkunft des mutmasslichen Täters.

Die rassistische Instrumentalisierung erinnert zum einen an die Reaktionen auf die Kölner Silvesternacht 2015. Eine medienwissenschaftliche Studie zur Kriminalitätsberichterstattung der AfD im Jahr 2018 zeigt deren abstruse Ausmasse: Während die Partei 95 Prozent aller von ihr besprochenen Straftaten in Deutschland Menschen ohne deutschen Pass zuschiebt, wurden tatsächlich 66 Prozent aller Straftaten von deutschen StaatsbürgerInnen begangen. Gezielt werden also Proportionen verzerrt, um Angst zu schüren.

Zum anderen dient der Vorfall der Imagination einer allgemeinen Bedrohungslage: Die NZZ schrieb vom «Gefühl eines Kontrollverlusts», und der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einem «angespannten subjektiven Sicherheitsgefühl». Doch etwas ist verkehrt, denn: Dass der Minister prompt seinen Urlaub abbrach, erzeugte erst den Eindruck einer nationalen Bedrohungslage.

Die ominöse gefühlte Unsicherheit wird seit geraumer Zeit gezielt befeuert, obwohl die Kriminalitätszahlen in Deutschland seit Jahren sinken. Damit verbunden ist eine systematische «Herabsetzung einer ganzen Volksgruppe», wie die Schweizer Gruppe Linke People-of-Color (PoC) schreibt. Die realpolitische Zwischenbilanz der Tage geheuchelter Betroffenheit: Seehofer erwägt – aufgrund des Schweizer Wohnsitzes des gefassten Tatverdächtigen, der zuletzt offenbar unter Verfolgungswahn gelitten haben soll – «intelligente Grenzkontrollen» zwischen der Schweiz und Deutschland und stellt mehr Videoüberwachung und Polizeipräsenz im öffentlichen Raum in Aussicht. Und die SVP Zürich sieht sich in ihrem Plangen auf einen härteren Umgang mit eritreischen Asylsuchenden bestätigt.

Umso wichtiger waren die doch erfreulich vielen journalistischen und weitere Stimmen, die die rassistische Ausschlachtung des Falls kritisierten.