Stimmrecht für Ausländerinnen: Warum so mutlos, Frau Mauch?

Nr. 32 –

Sehr geehrte Frau Mauch

Ihr Vorschlag platzte mitten ins Sommerloch: Als Zürcher Stadtpräsidentin wollen Sie den im Kanton lebenden Menschen ohne Schweizer Pass auf kommunaler Ebene das Wahl- und Stimmrecht gewähren, nach zwei Jahren Aufenthalt schon – und bringen damit eine Idee ins Spiel, die nicht ganz neu ist und nach wie vor umstritten.

«Auf keinen Fall», wurde auf Ihren Antrag hin von rechts gerufen. Von links hingegen erhielten Sie Applaus – und selbst die Liberalen (auf deren Stimme es ja letztlich ankommen wird) signalisierten, dass sie so schlecht nicht ist: die Vorstellung, dass jene, die hier leben und Steuern zahlen, sich auch äussern dürften zum lang ersehnten neuen Fussballstadion oder zum Schulhaus, in das sie ihre Kinder bald schon schicken werden. Oder zur geplanten Kläranlage. So weit, so vorhersehbar.

In Zürich, das sagten Sie selbst, besitzt ein Drittel kein Bürgerrecht. Bei den 30- bis 39-Jährigen – der Gruppe, zu der auch ich mit meiner B-Bewilligung gehöre – ist es sogar die Hälfte. Auf nationaler Ebene ist die Lage ähnlich desolat, dort ist ein Viertel der Bevölkerung von der Mitbestimmung ausgeschlossen. Ein ziemliches Problem für die hiesige Demokratie, die doch weltweit einzigartig sein soll. Erst recht für eine Stadt wie Zürich, die sich so gern kosmopolitisch gibt. Umso mehr verwunderte mich die Debatte über Ihren Vorschlag: Von jenen, die sie mit Ihrer Initiative ansprechen wollen, wurde – zumindest öffentlich – niemand nach der Meinung gefragt. Ich erlaube mir deshalb, mich ungefragt zu Wort zu melden.

Der Vorschlag, den sogar Sie selbst «weder revolutionär noch exotisch» finden, ist mir zwar sympathisch, durchaus – doch halte ich ihn auch für etwas mutlos: in einer Stadt, in der auch die Legislative neuerdings mehrheitlich links ist. Mutlos finde ich im Übrigen auch, wenn wir schon dabei sind, dass ich von Ihnen, im Gegensatz zu Dutzenden BürgermeisterInnen in ganz Europa, noch nie etwas zur Seenotrettung gehört habe. Immerhin präsidieren Sie die grösste Stadt des Landes.

Doch bleiben wir beim Thema: Nicht einmal bei Ihrem vorsichtigen Stimmrechtsantrag können Sie sich der nötigen Unterstützung im Kantonsrat sicher sein. Zwar kennen über 600 Gemeinden aus acht Kantonen, überwiegend in der Romandie und einige sogar in Ausserrhoden, das Stimmrecht für sogenannte AusländerInnen. Doch im Kanton Zürich wurde eine entsprechende Vorlage schon zweimal von der Bevölkerung abgeschmettert. Es werden sich auch jetzt wieder viele Gründe finden lassen, am Status quo festzuhalten.

Sicher, die Idee für ein AusländerInnenstimmrecht kann ein guter Anfang sein. Das bestehende Demokratiedefizit löst sie aber längst nicht auf. Eher wird der Stillstand verwaltet, der in der Frage politischer Mitbestimmung in diesem Land seit Jahren herrscht. Ehrlich gesagt finde ich es auch fast etwas frech, dass wir sogenannten AusländerInnen bloss über kommunale Belange abstimmen sollen. Betrifft mich eine Abstimmung über die Altersvorsorge, zu der ich monatlich meinen Beitrag leiste, oder über die Voraussetzungen dafür, dass ich des Landes verwiesen werde, nicht mindestens so sehr? Warum sollte ich mich bloss so brennend wie sonst kaum jemand für die Sache mit der Kläranlage interessieren? Nichts gegen eine gute Abwasserreinigung, aber offenbar müssen wir AusländerInnen uns erst im Kleinen als würdig erweisen, bevor uns eine qualifizierte Meinung über wichtige Belange zugetraut wird. Das ist doch ziemlich paternalistisch.

Überhaupt: Das AusländerInnenstimmrecht, der Name sagt es schon, schreibt nur noch einmal die künstliche Differenz zwischen In- und AusländerInnen fest. An der strukturellen Diskriminierung ändert es nichts. Erst das Bürgerrecht ist eine gleichberechtigte Anerkennung, bietet neben Rechten auch Schutz.

Deshalb hätte ich einen Vorschlag für Sie, liebe Corine Mauch: Setzen Sie sich doch lieber für schnellere Einbürgerungen ein! Am besten gleich für das Ius soli, die automatische Einbürgerung bei Geburt. Nicht als Almosen an Leute wie mich. Sondern aus eigenem Interesse.

Herzliche Grüsse

Anna Jikhareva