Diesseits von Gut und Böse: Sie wissen, was sie tun

Nr. 34 –

Seit Erscheinen des wurmstichigen Apfels als Metapher für die Schweizer Politik füllen ungezählte Einordnungsversuche des SVP-Wahlplakats die Medien; alle Witze über faule und gesunde Äpfel wurden gemacht, der Unterschied zwischen Würmern und Maden geklärt und die Qualität des jeweilig genossenen Geschichtsunterrichts angezweifelt; man singt im Chor: Sie provozieren halt gern, und hofft, es falle auf sie selbst zurück.

Dabei ist die Provokation, klarer gesagt, eine schamlose Frechheit, und um das Sujet einordnen zu können, braucht es in der Schweiz keine speziellen Geschichtsstunden. Dass die Nazis unter Anleitung ihres Propagandaministers Joseph Goebbels «Feinde» mit Ungeziefermetaphern verunglimpften, wurde hier schon vor Jahren breit diskutiert, als die Partei mit schwarzen Schafen oder roten Ratten «provozierte». Wenn Wahlkampfleiter Adrian Amstutz jetzt behauptet: «Den Nazi-Vergleich kann nur jemand machen, der im Geschichtsunterricht geschlafen hat», könnte man zwar ernsthaft an seinem Verstand zweifeln, doch der Mann ist nicht debil, sondern auf sein Ziel fokussiert, die Partei um jeden Preis an der Macht zu halten.

Zwecks Erhalt der Konkordanz wird in bürgerlichen Kreisen gebetsmühlenartig wiederholt, es gebe ja auch «vernünftige» SVPler; einer von denen beteuert gerade auf Twitter allen andern Parteien verzweifelt: «Zusammenarbeit mit euch ist mir wichtig und auch nötig!»

Doch die jetzt erhobenen Forderungen – Verantwortung übernehmen!, das Plakat zurückziehen!, die Werbeagentur entlassen! – treffen das Problem nicht. In der Pflicht stehen alle Parteien mit Restvernunft: Einem solchen Verein Regierungsverantwortung zuzugestehen, auch indem man dank Listenverbindungen von ihm profitiert – das ist das eigentliche Problem.