Daniel Johnston (1961–2019): Lass die Sonne nicht untergehen

Nr. 38 –

Diese kleinen Lieder, sie sind in ihrem Kern grosse Popsongs. «Don’t let the sun go down on your grievances» heisst eines, die Melodie liefert schleppend eine Kinderorgel, der Rhythmus scheint auf einem Waschmittelkarton geklopft, und dazu ertönt eine beschwörende Stimme: Lass die Sonne nicht über deinen Beschwerden untergehen! Beginne jeden Tag mit einem sauberen Blatt! Manchmal bist du vielleicht allein, aber fühl dich nicht einsam. Als das Lied schon fertig ist, kommt es zu einem überraschenden Tempowechsel, der Sänger richtet sich an ein imaginäres Publikum, der Song wird zum Chor: Everybody, sing it! Don’t let the sun go down on your grievances! Daniel Johnston jauchzt dazu.

Kein Wunder, wurde er für seine Songs wie «Speeding Motorcycle», «Casper the Friendly Ghost» oder «Devil Town» von der Rockwelt verehrt. Tom Waits, Beck, die Flaming Lips, viele coverten ihn. Kurt Cobain hatte ihn einst berühmt gemacht, als er bei den MTV Awards ein T-Shirt mit einer Froschzeichnung und seinem Namen trug. Die besten Worte fand jetzt, da Johnston an Herzversagen gestorben ist, der Antifolker Jeffrey Lewis: «Wenn man einer Person einen Fisch gibt, hat sie Nahrung für einen Tag. Wenn man ihr das Fischen beibringt, hat sie Nahrung für das ganze Leben. Daniel Johnston hat mir und vielen anderen Songwritern das Fischen beigebracht.»

Die andere Geschichte ist die von der Vermarktung Daniel Johnstons. Die ganze Legendenbildung um seine unerfüllte Liebe zur Frau des örtlichen Totengräbers oder den Beinaheabsturz mit dem Flugzeug seines Vaters, weil Johnston während des Flugs den Schlüssel gezogen haben soll. Jeff Feuerzeig hat die Biografie im preisgekrönten Film «The Devil and Daniel Johnston» erzählt. Johnstons Bruder und sein Manager brachten ihn auf Tournee, auch in die Schweiz. Der Musiker mit der bipolaren Störung war für Aussenstehende kaum ansprechbar. Johnston, der in seinen lustigen Liedern gegen den Teufel und Dämonen kämpfte, für kurze Zeit auf der Bühne vorgeführt zu sehen, hatte etwas Zwiespältiges.

Aber vielleicht war es für ihn, den grossen Beatles-Fan, der gerne selbst berühmt werden wollte, auch das Richtige. Don’t let the sun go down on your grievances.