Wichtig zu wissen: Herr Doktor, ich habe Morcheln

Nr. 38 –

Ruedi Widmer über Gendersternchen, Luigi Colani und Funghaner

Die EU trägt in ihrer Fahne zwölf Gendersternchen; die hollywoodistische, kaliforneske #Me-Too-USA sogar deren fünfzig; selbst der Unrechtsstaat Syrien trägt zwei. Da muss man die Schweizer Fahne loben, in der noch ein Kreuz steht, an dem ein Mann hängt (den man aber nicht richtig sieht, weil er auch weiss ist). Die USA wollen nun ihre Fahne abändern. Anstelle der fünfzig Gendersternchen soll im blauen Feld ein einzelner Präsidentenpenis stehen. Dazu braucht es aber noch die Zustimmung der restlichen Trump-Familienmitglieder.

Die brennende saudische Raffinerie ist ein Puzzlestein auf dem Weg zu einer besseren Welt. Das Erdöl wird neu direkt verbrannt, ohne den für Fussgänger, Kinder, Tiere und Velofahrer lebensgefährlichen Umweg über das Auto.

Der kruppstahlblauäugige Geschichtslehrer Bernd «Björn» Höcke (AfD Thüringen) liess ein Interview mit dem ZDF abbrechen, weil er sich wegen der Fragen zur Nazizeit und zu seiner Partei zu stark emotionalisiert fühlte («Ich bin auch nur ein Mensch»). Für das sensible Gemüt eines tief im Innersten von den demokratischen Zumutungen der Bundesrepublik verletzten Romantikers sind solche Fragen in der Tat zu hart. Wotan sei Dank, konnte sich Höcke aus dieser Vergewaltigung des Systemfernsehens befreien.

Der Kokainkäufer national, Luzi Stamm (SVP), will Asylsuchende in Schutzgebieten im Ausland unterbringen. Die Idee ist nicht neu. Im Osten Deutschlands wird auch erfolgreich ein Schutzgebiet betrieben, in dem potenzielle Flüchtlinge sitzen. Gäbe es Nationalparkchef Höcke mit seiner AfD nicht, wären viele Ostdeutsche schon lange in die Schweiz geflohen.

Auch Gott griff gerne auf das Talent des nun verstorbenen deutschen Designers Luigi Colani zurück. Für die Natur hat Colani Haie, Rochen, Mantas und Quallen designt. Auch manche Pilze sind von ihm, zum Beispiel der Pfifferling, aber auch die Morcheln.

Pilze bilden bekanntlich neben der Fauna und der Flora eine eigene Klasse der Natur. Das Sympathische an den Pilzen ist, dass sie beim Sammeln im Gegensatz zu den Tieren nicht davonlaufen. Damit ist auch der Einsatz einer Schusswaffe nicht gegeben.

Noch gibt es meines Wissens nur wenige Funghitarier, also Menschen, die aus Gewissensgründen auf Fleisch und Gemüse verzichten und sich nur von Pilzen ernähren.

Eine radikale Untergruppe der Funghitarier sind die Funghaner, die den in der Natur wachsenden Speisepilz ablehnen und sich auf das Verspeisen körpereigener Pilze beschränken. Was für Aussenstehende unappetitlich klingt, ist für sie der Lebensantrieb: die Selbstversorgung auf eigenem Fleisch und Blut und der totale Verzicht auf Ausbeutung des Bodens, der «Haut der Erde», deren Gewächse zum Fortbestand der Erde und nicht des Menschen dienen sollen. Sie bewirtschaften ihren Körper streng nach der Dreifelderwirtschaft. Der Anbau von Fusspilz und diverser anderer Pilze bleibt an den entsprechenden Körperstellen. Schimmel und Gorgonzola werden ebenfalls vornehmlich an den Füssen angebaut. Manche Familien, deren kleine Kinder noch kaum Pilzbewirtschaftung ermöglichen, halten auch Pilze auf ihren Haustieren, zum Beispiel den Katzenpilz, was wiederum Tierschützer auf den Plan ruft.

Die Eigenkörperpilzwirtschaft (EKPW) bietet nach Schulbuch totale Autarkie von Landwirtschaft und Lebensmittelläden. Die real existierende EKPW ist allerdings ernüchternd: Will ein Funghaner zu hundert Prozent selbstversorgt leben, braucht er mindestens die zweifache Hautfläche eines ausgewachsenen Mannes. Blättert man in Funghanerforen im Netz, sieht man auch, wie die Szene ihre Dogmen selber über den Haufen wirft: So ist es keine Seltenheit, dass Funghaner im Geheimen viel Schwarzwäldertorte essen, um ihre Pilzpflanzfläche vor allem für Hautpilz durch viel angefressenes Fett zu erweitern.

Ruedi Widmer (Winterthur) ist Cartoonist und kann mit Pilzen sprechen.