Kommentar zur EU-Flüchtlingspolitik: Mission gescheitert

Nr. 41 –

Die EU-Staaten üben sich in der Flüchtlingspolitik im Nichtstun. Besonders bequem macht es sich aber Justizministerin Karin Keller-Sutter.

Die Agenda von Europas InnenministerInnen war dicht gedrängt: Bei ihrem Treffen in Luxemburg am Dienstag diskutierten sie die «innere Sicherheit» des Kontinents, besprachen die Gefahr von rechtem Extremismus, verabschiedeten Massnahmen im Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Für ein anderes Thema blieb nur am Rand beim Lunch Zeit: die Migrationspolitik. Dabei hätte es durchaus Gesprächsbedarf gegeben.

Kürzlich hatten Italien, Deutschland, Malta und Frankreich beschlossen, jene Geflüchteten, die vor der libyschen Küste gerettet werden, nach einem festen Schlüssel zu verteilen. Die «Malta-Vereinbarung» soll für sechs Monate gelten – und bei steigenden Ankünften jederzeit gestoppt werden können. In Luxemburg hätten sich weitere Länder anschliessen sollen – wenn sie denn wollten. Viel zu erwarten war vom Treffen ohnehin nicht. Ernüchternd war die Botschaft zwischen den vielen wolkigen Ankündigungen dennoch: Eine solidarische Verteilung wollen die meisten Staaten auch weiterhin nicht. Statt von Zusagen war nur noch von einer «Standortbestimmung» die Rede.

Angesichts der jahrelangen Blockade kann man allerdings froh sein, wenn überhaupt Bewegung in die Frage kommt, wenn zumindest eine «Koalition der Willigen» zur Aufnahme bereit ist. Das damit verbundene Ziel ist ein politisches: Sie wollen die neue italienische Regierung stützen – und verhindern, dass bei der nächsten Wahl wieder der rechtsextreme Matteo Salvini das Zepter übernimmt. Seinen Aufstieg verdankte der ehemalige Innenminister seiner Hetze gegen Geflüchtete. Monatelang blockierte er die Häfen des Landes, kriminalisierte private Rettungsschiffe – und löste so erst die aktuelle Situation aus. Dabei konnte er stets darauf verweisen, dass die anderen Staaten Italien im Stich liessen.

Die Vereinbarung von Malta ist als Zeichen gegen den Rechtspopulismus wichtig, doch sie nimmt nur einen Bruchteil der Flüchtenden in den Fokus und ist letztlich nicht mehr als Pflästerlipolitik. Denn 85 Prozent gelangen derzeit selbstständig nach Italien, sind also vom Mechanismus ausgenommen. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen gerade sowieso in Spanien oder auf den griechischen Inseln ankommen. Mit ihrem Mechanismus hinkt die «Koalition der Willigen» der Realität also ohnehin hinterher.

Im östlichen Mittelmeer setzt die EU aber weiter auf ihr Abkommen mit der Türkei, die Europa die Flüchtenden gegen fürstliche Bezahlung vom Leib hält. Nun soll es dafür noch mehr Geld geben. Dies ist besonders stossend, weil das türkische Regime nun militärisch gegen die KurdInnen in Nordsyrien vorgeht, was noch mehr Menschen in die Flucht treiben wird.

Seit Jahren wird um eine Reform des Dublin-Systems gerungen, das die Verteilung der Geflüchteten in Europa regelt und die Länder an den Aussengrenzen benachteiligt. Passiert ist bisher nichts – auch weil Deutschland die unfaire Regelung verteidigt und sich Länder wie Polen oder Ungarn gegen jegliche Verteilung sträuben. So bleibt die Migrationspolitik auch nach dem Treffen darauf gerichtet, Flucht zu verhindern.

Für diesen Kurs steht auch Justizministerin Karin Keller-Sutter, die am Dienstag ebenfalls anwesend war und den Mechanismus von Malta schon im Vorfeld verwarf. Statt «falsche Anreize» zu schaffen, sei sie für eine «globale Lösung», liess die FDP-Bundesrätin verlauten – im Wissen, dass eine solche Lösung utopisch ist. In der Schweiz befinden sich derzeit rund 12 600 Personen im Asylverfahren: ein historischer Tiefstand. Keller-Sutters Aussagen sind also nichts als eine billige Ausrede.

Nicht erwähnt blieb in Luxemburg derweil eine andere Forderung: jene nach einem europäischen Seenotrettungsdienst. Kurz bevor in Luxemburg Worthülsen verhallten, sank vor Lampedusa erneut ein Flüchtlingsboot. Insgesamt ertranken allein in diesem Jahr mehr als tausend Menschen auf ihrem Weg nach Europa. Solange es keine legalen Fluchtmöglichkeiten gibt, geht das Sterben weiter.