Deutschland: Irak-Konferenz von Hilfsorganisationen in Frankfurt: Nachhaltige Abhängigkeit vermeiden

Angesichts des Irak-Kriegs diskutierten am Wochenende VertreterInnen internationaler Hilfsorganisationen, wie sie der Zivilbevölkerung im Irak helfen können, ohne von den Kriegsparteien vereinnahmt zu werden.

Während die Spendenkonten für Hilfe an die irakische Zivilbevölkerung auf den Titelseiten der Tageszeitungen stehen und zur besten Sendezeit über die Fernsehkanäle ausgestrahlt werden, warnten am Wochenende in Frankfurt am Main Vertreter grosser Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vor einer politischen Vereinnahmung humanitärer Nothilfe durch die Krieg führenden Staaten USA und Grossbritannien. Nothilfe als Valium für das westliche Fernsehpublikum und humanitäre Beigabe für tödliche Kriege – das waren einige der Stichworte, die auf der Konferenz «Macht und Ohnmacht der Hilfe» diskutiert wurden. Vor dem Hintergrund des am Freitag vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten Beschlusses zur Fortführung des UN-Programms «Öl gegen Nahrung» betonte die Direktorin der evangelischen Diakonie-Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, auf der zweitägigen Konferenz, Nothilfe für die Zivilbevölkerung dürfe weder von Regierungen noch vom Militär instrumentalisiert werden.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth (Die Grünen), sprach sich dagegen auf der von Medico International und der Universität Frankfurt organisierten Konferenz für eine engere Zusammenarbeit zwischen Politik und Hilfsorganisationen bei humanitären Krisen aus. «Das Nein zum Krieg ist kein Nein zur humanitären Hilfe», so Roth. Letztere als Bestandteil der Aussenpolitik zu sehen, sei «legitim».

Bislang weigert sich die Mehrheit der deutschen NGOs, sich beim Humanitarian Operation Center (Hoc) registrieren zu lassen, das die Militärs der Alliierten USA und Grossbritannien in Kuweit eingerichtet haben. Sie fürchten um ihre Unabhängigkeit und wollen nicht als Teil der Kriegsmaschinerie angesehen werden. Dagegen haben die «Grössen» unter den US-amerikanischen und britischen Hilfsorganisationen wie World Vision und Care ihre Einsatzpläne längst mit dem Humanitarian Operation Center abgestimmt. Denn die Konkurrenz um die Vorherrschaft auf den nationalen Spendenmärkten und der Wettlauf um günstige Ausgangspositionen bei der Verteilung staatlicher Wiederaufbaugelder begann schon Monate vor den ersten Bomben auf Bagdad.

Helfen, aber ohne Militäreskorte

Angesichts des harten Wettbewerbs unter den NGOs und der Strategie der «Einbettung», die die US-Regierung auch gegenüber den NGOs durchsetzen will, verwunderte es nicht, dass Diakonie-Direktorin Füllkrug-Weitzel entschieden nach «Qualitätskriterien» für das humanitäre Engagement verlangte. Ansonsten würden die Hilfsorganisationen im Irak-Krieg, ob freiwillig oder unfreiwillig, die Rolle «effizienter Dienstleistungsunternehmen» an der Seite der Militärs übernehmen. Eine Position, die Katja Maurer, Pressesprecherin von Medico International, noch zuspitzte. «Die Strategie der US-Administration, die humanitäre Hilfe ins Kriegskonzept einzubetten, dient dazu, das einheimische Fernsehpublikum zu beruhigen und Kriege vermeintlich zu humanisieren.»

Eine kritische Aussenseiterposition nahm der somalische Schriftsteller Nuruddin Farah ein. Er plädierte für den Stopp jeder Entwicklungshilfe. Afrika brauche keine «Nahrungsmittelgeschenke» und externe Experten, die als «Touristen zu Katastrophenorten reisten».

Thomas Gebauer, Geschäftsführer von Medico International, wollte es nicht bei solch pauschaler Kritik belassen. Er betonte, gemeinsam mit den lokalen Partnerorganisationen im Nahen Osten setze man «nicht auf die Macht der Bomben, sondern auf die Kraft sozialer Bewegungen von unten». Wer nach Lösungen für humanitäre Krisen suche, müsse verhindern, dass an die Stelle des Rechts auf soziale Sicherheit zunehmend nur noch «karitative Gesten» träten. Der Schwerpunkt müsse auf «mehr Demokratie und sozialer Entwicklung» liegen. Trotz den aktuellen Kriegen müsse stärker ins Bewusstsein gerückt werden, dass humanitäre Hilfe dazu beitragen solle, Selbstbestimmung und Emanzipation zu fördern.

Es war Ruchama Marton, Präsidentin der israelischen Ärzteorganisation Physicians for Human Rights, die an dem praktischen Beispiel medizinischer Hilfe für PalästinenserInnen durch israelische ÄrztInnen in Zusammenarbeit mit der Union for Palestinian Medical Relief deutlich machte, dass die von Medico International in Abgrenzung zum Hoc geforderte Humanitarian Alternative Cooperation – humanitäre Zusammenarbeit als Alternative – funktionieren kann. Das medizinische Personal der Physicians lehnt es ab, sich bei der israelischen Armee die Erlaubnis zu holen, mit ihrer mobilen Klinik ins Westjordanland zu fahren. «Wir brauchen keine bewaffnete Eskorte für unsere Sicherheit», sagte Marton. Damit setze die Organisation ein Zeichen der Unabhängigkeit und des politischen Protests.