Israel: Darf er oder darf er nicht?: General gegen General

Heute Donnerstag fällt das israelische Oberste Gericht den endgültigen Entscheid, ob Azmi Bi­schara und seine Partei Balad an der Parlamentswahl teilnehmen dürfen.

WoZ: Azmi Bischara, waren Sie am Dienstag an der Verhandlung des Obersten Gerichts über Ihre Zulassung zur Wahl persönlich anwesend?
Azmi Bischara: Ja. Ein paar Tage zuvor, als mich das Zentrale Wahlkomitee von den Wahlen ausschloss, dauerte die Diskussion vierzehn Stunden, und auch da war ich anwesend. Vor dem Obersten Gericht ging die Verhandlung nur zwei Stunden und drehte sich darum, ob ich den «jüdischen Charakter» Israels anerkenne. Die Anklage stösst sich an unserem Parteiprogramm und seinem Projekt von Israel als «Staat aller Bürger». Weiter behauptet sie, dass ich mit dem Terrorismus sympathisiere und den bewaffneten Kampf «des Feindes», von feindseligen Organisationen, unterstütze. Diese Ergänzung benötigt sie, weil sie mit dem Argument vom «Staat aller Bürger» das Gericht nicht überzeugen kann. Die Ankläger wollen mich dämonisieren. Schon seit Jahren versuchen die rechten Parteien, mich aus dem Parlament auszu­schliessen, und nennen unser Programm «die Negation des jüdischen Charakters des Staates» – so heisst das in ihrer Sprache.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, zur Wahl zugelassen zu werden?
Die israelische Gesellschaft, die israelische politische Kultur bewegen sich nach rechts. Sie werden zunehmend kolonialistisch und weniger demokratisch. Auch die israelische Rechtsprechung wird weniger und weniger liberal und, bezogen auf die besetzten palästinensischen Gebiete, zunehmend kolonialistisch. Innerhalb der Grenzen von 1948, innerhalb Isra­els, versucht das Oberste Gericht aber, die liberale Tradition zu bewahren. Darum ist kaum vorauszusagen, wie der Entscheid ausfallen wird. Die israelische Öffentlichkeit hätte mich schon lange aus dem Parlament ausgeschlossen.

Vor rund einem Jahr schon entzog man Ihnen die parlamentarische Immunität. Jetzt will man Sie von der Parlamentswahl überhaupt ausschliessen. Wie sieht Ihre persönliche Situation aus?
Die Zeiten sind schwierig. In Israel gibt es sehr viel Hetze. Ich kann nicht normal leben, ich kann nicht überall hingehen, wo ich will. Meine Bewegungsfreiheit ist begrenzt. Per E-Mail, Telefon und Brief kommen Drohungen. Aber meine politische Aktivität wird davon nicht beeinflusst. In manchen Städten begleiten mich Parteimitglieder oder Studenten zu meinem Schutz.

Wer würde vom Ausschluss der Balad-Partei profitieren? Die islamisch-konservativen Kräfte unter den israelischen Arabern? Oder die Arbeitspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Amram Mitzna?
Darüber lässt sich im Moment wenig sagen. Falls wir zugelassen werden, dürften wir die stärkste arabische Partei werden. Es wäre das erste Mal, dass eine demokratisch-fortschrittliche Partei in der arabischen Gesellschaft den ersten Platz erobert ­– mit unserem demokratischen Programm, das Gleichheit und Staatsbürgerschaft unterstreicht. In diesem Fall werden die arabischen Parteien insgesamt, die gegenzionistischen Parteien, viele arabische Stimmen gewinnen und nicht die Arbeitspartei.

Wenn sie uns nicht zulassen, werden viele die Wahl boykottieren. Wie wir dann aus­serparlamentarisch weiterarbeiten wer­den, müssen wir erst noch besprechen.

Diskutieren die arabischen Kräfte über eine gemeinsame Reaktion auf den Gerichtsentscheid?
Nein. Im Wahlkampf betrachten die Parteien die Ereignisse aus der Perspektive der Konkurrenz. Die anderen Parteien drängen in der Diskussion das Thema Boykott in den Vordergrund. Faktisch beruhigen sie aber die israelischen Behörden, dass es so oder so keinen Boykott geben werde. Das ist nicht gerade solidarisch.

Sie kritisierten den letzten Ministerpräsidenten der Arbeitspartei, Ehud Barak, vehement. Wie beurteilen Sie Amram Mitzna, der wie eine Neuauflage von Barak erscheint?
Mitzna ist politisch und charakterlich besser als Barak. Sein Problem ist, dass er es nicht wagt, eine wirkliche Alternative zu Barak und zur Likud-Partei darzustellen. Er spricht die Sprache von Camp David. Die Verhandlungen in Camp David im Jahr 2000 zwischen Barak und Arafat sind gescheitert. Das versteht Mitzna nicht. Camp David funktioniert nicht mehr, auch für die israelische Öffentlichkeit nicht. Die Israelis wollen ganze Lösungen, keine halben. Mitzna versucht immer mehr, die Rechten zufrieden zu stellen. Die Arbeitspartei versteht nicht, dass es jetzt, wo die israelische Gesellschaft so müde ist, ihre Aufgabe wäre, eine echte politische Alternative darzustellen. Sie könnte zum Beispiel die Beiruter Friedensinitiative der arabischen Staaten aufgreifen. Das würde etwas bewirken, weil die Israelis wirklich eine Lösung wollen. Sie stimmen für Scharon, weil sie keine andere Lösung sehen.

Mitzna hat seine Kampagne gut begonnen. Was er – wohl wegen seiner Medienberater – weiter gemacht hat, ist weniger gut. Jetzt versucht er, sich als General zu präsentieren – gegen General Scharon wird er in dieser Konkurrenz verlieren.