Nagra: Ein Plan von Zombies

Jetzt soll der Schweizer Atommüll in Russland entsorgt werden.

Bis 1999 suchte McCombie im Dienst der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) in der Schweiz einen Ort für ein Atommülllager. Vergeblich. Nun propagiert er ein «multinationales Endlager für nukleare Abfälle». Im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts will er die Grundlagen für ein solches Lager schaffen.

Die Nagra ist dabei. Und der Bund zahlt mit: 220000 Franken fliessen direkt an McCombies Entsorgungsunternehmen Arius in Baden.

Der Ex-Nagra-Mann wollte schon mit seiner Firma Pangea strahlende Abfälle vergraben, damals in Australien. Nun hat er ein anderes Land im Visier: «Russland ist Kandidat Nummer eins. Mit gutem Willen lässt sich dort eine akzeptable Lösung finden», gab McCombie dem «Beobachter» vor zwei Jahren zu Protokoll.

Die russische Duma hat ihren guten Willen bereits manifestiert. Im Dezember 2000 hob sie das Importverbot für ausländischen Atommüll auf. Laut Berechnungen von Greenpeace winken Deviseneinnahmen von 21 Milliarden Dollar aus der Wiederaufbereitung, Zwischen- und Endlagerung von strahlendem Abfall aus dem Westen. Wegen dieser Versuchung erklärten die russischen Behörden kurzerhand einen Teil der 2,5 Millionen Protestunterschriften gegen das Vorhaben für ungültig und verhinderten so eine Volksabstimmung.

Guten Willen hat auch das Schweizer Parlament bei der Beratung des Kernenergiegesetzes (KEG) gezeigt. Es hat das Ausfuhrverbot für Atommüll mit dem KEG durchlöchert und damit die Schleuse nach Osten einen Spalt weit geöffnet. Das deckt sich mit den Absichten der Schweizer AKW-Betreiber, die in einem vertraulichen und von Greenpeace öffentlich gemachten Protokoll bereits 1998 ihre Absicht erklärten, 2000 Tonnen oder etwa die Hälfte des hochaktiven Atommülls nach Russland zu verschieben.

Vor zwanzig Jahren hätte die Nagra den Nachweis erbringen müssen, dass der atomare Müll in der Schweiz langzeitsicher gelagert werden kann. Diesen Beweis ist sie bis heute trotz einer verlochten Milliarde schuldig geblieben. Jetzt steht das Vorprojekt für ein Hochaktivlager in Krasnokamensk. Das «multinationale Endlager» ist eine Idee, die vom Heimfiasko der Nagra ablenken soll.

Wer seinen Atommüll ins devisenhungrige Russland abschieben will, verrät aber noch mehr: dass er sich um das ethische Postulat, den eigenen Müll selber zu entsorgen, foutiert. Vor allem aber, dass das Atommüllproblem sich sauber faktisch nicht lösen lässt.

«Kann man sich den Luxus ethischer Debatten nur leisten, weil die Nuklearindustrie über genügend finanzielle Mittel verfügt?», fragte Charles McCombie in einer Nagraschrift 1997. Provokative Gegenfrage: Wer stoppt in der Schweiz die Zombies?

Als Armin Braunwalder diesen Text schrieb, war er Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). Im August 2013 verstarb er an Herzversagen. Zum Nachruf von Susan Boos