Weltwirtschaftsforum: Wie knackt man einen Privatclub?

Eine hoch funktionable, halb kaputte Geldmaschine. Das Weltwirtschaftsforum ist nach eigenem Massstab ein Paradox: Eigentlich sollte etwas, was derart profitabel läuft, nicht im Geringsten gefährdet sein. Doch für den Tod des Wef braucht es nur noch ein wenig Killerinstinkt.

Der Hacker-Angriff war eine wirkliche Sensation. Dass die Kreditkartennummer von Thomas Schmidheiny, die Handynummer von Bill Gates, das Passwort für die interne Wef-Mailbox von Marcel Ospel geknackt wurden, ist mehr als ein Scherz oder Kriminalfall. Es ist für das Wef der Super-GAU. Denn es bedeutet, dass trotz einem paramilitärischen Polizeischutz das Herzstück aus dem Wef-Verkaufspaket entfernt wurde: Diskretion. Zudem sollte das, was den Hackern der Anti-Wef-Szene möglich war, auch Geheimdiensten und Wirtschaftsspionen möglich sein. Ärger, Unsicherheit und Vertrauensverlust der 30 000 Dollar pro Jahr zahlenden VIPs dürften entsprechend sein.

Überhaupt ist die Achillesferse des Wef seine primäre Qualität: dass es ein Privatclub ist. Ein Insider – ein ungenannt sein wollender Venture-Kapitalist – beschrieb die Lage hinter den geschlossenen Türen ziemlich präzis. Der enorme Vorteil für die Wef-Teilnehmenden sei, dass man a) alle möglichen VIPs treffe, aber vor allem b) einander in Davos weit direktere und härtere Fragen stellen könne als sonst bei irgendeinem Meeting weltweit.

Dieser teure Luxus – mit anderen Chefs Klartext zu reden – werde durch Öffentlichkeit sofort ruiniert. Sobald Journalisten oder Kritiker auftauchten, müsse man wieder Smalltalk machen. Ein informationsoffenes Wef sei kein interessantes Wef mehr – zumindest für ihn. Dann würde es lustiger, dagegen zu protestieren als teilzunehmen. Der Kapitalfehler des Wef war die Idiotie, den Privatclub als Wohlfahrtsausschuss auszugeben. Der Anspruch, «die Welt zu verbessern», kostet das Wef mehr als ein paar salbungsvolle Worte: verdammt viele salbungsvolle Worte und damit Zeit, Nerven und Denkkraft. Der Ärger dadurch wird potenziert: frierende, aggressive Polizei, drangsalierte Bevölkerung, eine zum Schweigen verpflichtete Journaille, überforderte Organisatoren (Regierungsrat Aliesch, Organisator des übelsten Polizeieinsatzes seit Jahren, gab später zu, «das Forum am liebsten auf den Mond schiessen zu wollen») – mit dem Hack hat der Ärger auch die Wef-TeilnehmerInnen erreicht.

Wie knackt man ihren Privatclub? Effizient wäre, Hektik und Ärger das nächste Mal noch zu steigern. Die kombinierte Strategie aus am Wef teilnehmenden NGOs, Gegenkongress, gewaltfrei Demonstrierenden und – warum nicht? – Sachschadenverursachern hat sich bewährt. Ohne Krawalle wäre Seattle Fussnote statt Fanal geworden. Ohne harte politische Akten- und Verhandlungsarbeit allerdings auch. Was im Anti-Wef-Dispositiv noch fehlt, ist das konsequente Umsetzen der Anti-Diskretions-Taktik: Private Clubs benötigen private Unannehmlichkeiten. Jemand mit Wef-Badge sollte nicht mehr ohne persönliche Beleidigung durch Davos kommen. Solange sich die VIPs wohl fühlen, existiert das Wef.

Erstickt in Datenchaos, Stacheldraht und dem eigenen Salbadern hat das Wef wenig Chancen. Vielleicht erschiesst, wie es dieses Jahr dem Milliardär George Soros beinah passierte, nächstes Jahr ein nervöser Polizist einen Wef-Teilnehmer. Soros selbst kommentierte den Polizeieinsatz hart und die Proteste trocken: «Die Methoden dieser Protestbewegung sind inakzeptabel, aber wirkungsvoll.»
Erlaubt ist also, was nützt oder vielmehr schadet. Die Grabsteine für das Wef sind jedenfalls vorhanden. Sie müssen nur noch geworfen werden.