Durch den Monat mit Christian Levrat (Teil 4): Das Ende der Geschichte?

Nr. 5 –

WOZ: Ihr Vater war Garagist. Hat er Freude an der Unternehmenssteuerreform?
Christian Levrat: Das würde mich erstaunen. Er hat sicher bemerkt, dass die Reform nichts mit besseren Bedingungen für kleine und mittlere Unternehmen zu tun hat, sondern mit Steuergeschenken für 8400 Grossaktionäre.

Sagen Sie uns, wie die Abstimmung am 24. Februar [2008] ausgeht?
Prognosen sind nicht meine Sache. Das KMU-Argument finde ich an den Haaren herbeigezogen, aber leider wirksam. Der Gewerbeverband lässt sich von Economiesuisse als Feigenblatt missbrauchen. Für eine Vorlage, die nackte Umverteilung bedeutet, und zwar von unten nach oben, von den Arbeitnehmenden zu den Kapitalinhabern.

Planen Sie eine Klage vor Bundesgericht wegen verfassungswidriger steuerlicher Ungleichbehandlung, wenn die Abstimmung verloren geht?
Die Schweiz kennt, anders als andere Staaten, keine unabhängige Verfassungsgerichtsbarkeit. Wenn das Parlament entscheidet, die Verfassung zu verletzen, ist kein Rekurs möglich.

Und damit wäre die Geschichte zu Ende?
Im Gegenteil. Dann macht Bundesrat Merz weiter. Er will die Gewinnsteuern nach unten anpassen, was erneut Mindereinnahmen von 3,5 Milliarden Franken für den Bund bedeuten würde.
Und er hat eine Mehrwertsteuerreform vorgestellt, die die unteren und mittleren Einkommen nochmals belasten würde, indem der volle Steueransatz auch auf den Grundbedarf und die Gesundheitskosten angewendet werden soll.

Was halten Sie vom Nein des 
Baumeisterverbands zum Gesamtarbeitsvertrag?
Ich finde es skandalös. Insbesondere, wenn es wahr ist, dass Werner Messmer, der Präsident des Baumeisterverbands, selbst den Antrag auf Ablehnung gestellt hat. So etwas übertrifft wirklich alles, was ich je erlebt habe.

Die Gewerkschaft Unia sagt: ohne GAV kein Ja zur Ausdehnung der Freizügigkeit. Erpressung?
Nein. Ich habe mich für die Ausdehnung eingesetzt, aber ich sehe auch, dass die Ängste der Menschen sehr gross sind. Ohne GAV, ohne gesicherten Mindestlohn, haben wir keine Chancen, Sozialdumping zu verhindern. Der Bausektor ist der Angelpunkt unseres sozialpartnerschaftlichen Systems, der dortige GAV ist einer der ältesten Verträge, betrifft 100 000 Beschäftigte und ist eine Referenz für das ganze Gewerbe, das heisst für alle Menschen, die als Erste Opfer von Sozialdumping würden.

Treibt das Nein der Baumeister einen Keil zwischen SP und Gewerkschaften? Eine SVP-Verschwörung?
Nein. Aber es ist klar, dass ein Teil des Baumeisterverbands total ideologisiert auf SVP-Kurs ist. Sie führen primär einen Kampf gegen die Gewerkschaften. Aber sie spielen mit dem Feuer.

Und die SP? Spielt sie nicht auch mit dem Feuer, wenn sie die Themen vermischt?
Die Haltung der SP und jene der Gewerkschaften ist dieselbe. Wir sind für die Freizügigkeit. Aber wer hat schon Interesse, sich für etwas einzusetzen, das ohne GAV von Anfang an verloren ist? Allerdings schliesse ich nicht aus, dass die Baumeister aus taktischen Gründen Nein sagen: Sie wollen keine verschärften Kontrollen und lassen sich mit dem Nein zum GAV einen Verhandlungsspielraum offen. Das wird ihnen nichts nützen: Ohne verschärfte Kontrollen ist unsere Unterstützung zur Ausdehnung nicht zu haben.

Heute Donnerstag streiken die 
öffentlichen Angestellten in der Waadt gegen ein neues Lohnsystem. Die Regierung bezeichnet den Streik als illegal und will Streikende fichieren. Sollte sich Pierre-Yves Maillard, Ihr Partei- und Gewerkschaftskollege in der Waadtländer Regierung, nicht
öffentlich distanzieren?
Maillard hat sich gegen die Fichierungen eingesetzt und versucht, von innen Einfluss zu nehmen. Ich glaube, dass öffentliche Kollegialitätsbrüche wenig nützlich sind, solange intern noch Verhandlungsspielraum besteht.

Sie sind also gegen den Bruch der Kollegialität?
Solange man als Minderheit Gehör findet, sollte man die Kollegialität nicht brechen. Aber sie darf nicht zum Maulkorb werden. Wenn nichts mehr hilft, dann soll man seine Meinung auch öffentlich kundtun können.

Am 1. März [2008] werden Sie SP-Präsident. Was tun Sie als Erstes?
Parteiinterne Veränderungen einleiten. Wir brauchen schlagkräftigere Strukturen, eine bessere Kommunikation. Anfang 2009 müssen wir voll handlungsfähig sein. Der nächste Wahlkampf hat bereits begonnen.

Christian Levrat, geboren 1970 in Bulle, ist Präsident der Gewerkschaft Kommunikation und SGB-Vizepräsident, Freiburger SP-Nationalrat und einziger Kandidat für 
das SP-Präsidium.