Knapp daneben: «Man muss auch mal irgendwo aufhören»

Nr. 26 –

Vorletzte Woche, es ging um Streller, schrieb jemand: «Habe soeben zum ersten Mal diese Kolumne in der WOZ gelesen und fand sie ziemlich daneben. Hat man(n) sich denn nicht im Griff, wenn man weinen muss?»

Worte wie diese versüssen den Abschied. Und rühren zu Tränen. Zum Schluss ein Blick zurück, in den Papierkorb: Ideen, die ich auch noch hatte, aber nicht so gut fand. Texte, die mittendrin abbrachen. Fertige Kolumnen, die leider zu kurz waren. Entwürfe, die mir plötzlich zu komplex, zu vulgär, zu privat oder einfach zu unausgegoren erschienen. Und Zeitungsmeldungen, die darauf warteten, aufgeblasen zu werden.

So wie: Der Abend in Aveiro, an der EM 2004. Es war Mitternacht, und wir hatten kein Zimmer. Die Wirtin des Restaurants, in dem wir die Reste einer Geburtstagsfeier aufgetischt bekamen, nahm die Sache in die Hand. Klingelte das halbe Quartier aus dem Schlaf. Um eins folgten wir einer Frau in ihr Haus, hundert Euro für drei Personen. Mein Bett stand in einem gefangenen Zimmer, ich musste mich schwankend durch die Kammer des schlafenden, erwachsenen Sohnes navigieren. Über seinem Bett: ein Wimpel von Benfica und einer von Beira Mar. Auf meinem Nachttisch: eine Lesebrille, ein Rosenkranz, eine Packung Pillen.

Die Meldung in der «Leipziger Volkszeitung» zu einem Überfall von Lok-Leipzig-Hooligans auf eine Weihnachtsfeier von Sachsen Leipzig am 27. Dezember 2007: «Etwa 25 vermummte Männer hatten sich vor der Gaststätte Kültzschauer Kartoffelsack in der Eilenburger Puschkinstraße versammelt, so die Polizeisprecherin Babette Faust.»

Der Text über den Verlauf eines Freitagabends nach dem Hallentraining, der es nie ins Blatt geschafft hat. Eine der letzten Passagen: «Der Imbiss um die Ecke hat die ganze Nacht geöffnet. Über der Theke zeigt der Fernseher ohne Ton die Wiederholung der 'Arena': 'Neue Köpfe – neuer Stil?' Roger Köppel öffnet und schliesst seinen Mund. Kauend staunen wir über seine Zähne. Er trägt eine schräg gestreifte Krawatte. 'AS Roma', behaupte ich. 'Nein, Galatasaray', sagt Michi, 'das ist Gelb-Rot, nicht Orange-Rot.'»

Die Aussage von Heliane Canepa, Frau des FCZ-Präsidenten Ancillo, im «Magazin»: «In ein ganz bestimmtes Stadion werde ich nicht mehr gehen, die rassistischen Zwischenrufe gegen einen unserer Spieler nervten mich letztes Mal kolossal – auf der VIP-Tribüne notabene.»

Der Besuch des Stadions von NK Olimpija Ljubljana. Als ich nach einem halbstündigen Fussmarsch völlig verschwitzt ankam und sah, wie hoch das Gras stand und wie auf Plecniks Ehrentribüne Schulbuben ihr Mittagessen einnahmen, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war. «Den Verein gibt es nicht mehr», erzählte mir draussen ein ehemaliger Juniorentrainer, «bankrott, aufgelöst.» Später las ich irgendwo, dass nun ein einheimischer Casinobesitzer unter dem grossen Namen NK Olimpija etwas Neues aus dem Boden stampfen wolle, mit der Lizenz eines kleineren, unbedeutenden lokalen Vereins und unter der Bedingung, dass die Stadt das eigentlich denkmalgeschützte Stadion abreissen lässt.

Die Kantonspolizei Freiburg, die nach einem bewaffneten Raubüberfall im Fahndungsaufruf einen Zeugen zitiert: «Der Einbrecher sah aus wie Pascal Zuberbühler.»

Toni Bortoluzzi. Und was seine Aussage im «Tages-Anzeiger», «Alle haben Kinder gern. Also können auch alle Kinder betreuen», für den Fussball heissen könnte.

Sepp Blatter, die sprechende Randenwurst: «Schade, dass der Hardturm verhindert wurde. Wegen des Schattenwurfs! Und wenns bewölkt ist? Die direkte Demokratie ist ja etwas Schönes, aber man muss auch mal irgendwo aufhören damit.»

Genderfragen. Wenn man während eines EM-Viertelfinals Vater wird, die Nachricht verschickt und die Frauen zurückschreiben: «Hoch soll sie leben!» und «Oh wie schön!» Und die Männer: «Bravo. Deutschland führt 2:0.» «Freut uns sehr. Gerade als die Deutschen wieder am Erstarken sind.» «Bravo! Une fille! Deco e Pepe!»

Merci, WOZ, für den Raum, den langen Atem.