Durch den Monat mit Edith Siegenthaler (Teil 4): Ins Bundeshaus?

Nr. 39 –

WOZ: Sie haben mit der Organisation «Nie wieder Atomkraftwerke» am 11. September die Veloaktion gegen AKWs organisiert. Werden Sie sich weiter engagieren?
Edith Siegenthaler: Ich würde gerne, es gibt noch einiges zu tun.

Was heisst das?
Wir haben mehrere Anfragen von anderen Gruppierungen, die gemeinsame Aktionen veranstalten wollen. Aber da steht noch überhaupt nichts fest.

Liegt der Einsatz für Sie zeitlich drin?
Ich werde in der nächsten Zeit bestimmt nicht wieder so eine Riesenaktion organisieren, wie die Veloaktion auf dem Bundesplatz eine war. Aber vielleicht mache ich in einem Jahr wieder etwas von ähnlicher Grösse. Im Moment denke ich eher an kleinere Sachen, Unterschriften sammeln, zum Beispiel.

Was brennt Ihnen denn noch unter den Nägeln?
Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die Umweltproblematik durchdiskutiert wird. Die Energieeffizienz muss endlich in Angriff genommen werden. Das betrifft auch den Erdölverbrauch. Man sollte sich schon fragen, ob wir so viel Auto fahren müssen.

Das heisst, Sie wollen politische Rahmenbedingungen für den Energieverbrauch, so wie es die Jungen Grünen mit ihrer Offroader-Initiative tun?
Es ist sicher sinnvoll, den Hebel ökonomisch anzusetzen. Man muss aber aufpassen: Weniger Energie zu brauchen, heisst nicht, dass nur kleine Leute weniger Energie brauchen dürfen. Ein weiterer Schritt ist dann, das Argument auch in den Köpfen zu verankern. Dafür muss man sich aber richtig reinknien.

Gibt es ausserhalb der Energieproblematik Themen, für die Sie sich einsetzen würden?
Gleichstellungsthemen interessieren mich. Nur – wenn man sich da engagiert, wird man schnell in die verbissene Ecke gestellt. Das ist eher kontraproduktiv.

Woran liegt das?
Das Problem ist, dass man konzeptuell zwei Gruppen bilden muss, obwohl man eigentlich Gleichstellung fordert. Hier sind die Frauen, dort die Männer: die einen sind die Guten, die anderen die Bösen. Obwohl die Gruppen einfach nur als Menschen wahrgenommen werden möchten, entstehen stattdessen sehr schnell Ressentiments – auf beiden Seiten.

Sie haben Geschichte studiert und machen zurzeit ein Praktikum in der Kommunikationsabteilung der SP. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich würde gerne weiterhin im Bereich Kommunikation arbeiten, bei einer Partei oder bei einer Gewerkschaft. Es gefällt mir, über verschiedene Gräben hinweg zu kommunizieren und politische Inhalte in eine Form zu giessen, so dass sie eingängig werden. In der Kommunikation muss man oft auf eine bestimmte Agenda hin arbeiten, das macht es manchmal etwas stressig.

Wollen Sie nicht Politikerin werden?
Was soll ich da sagen ... Es kommt auf die Umstände an. Ich müsste zuerst schauen, mit wem, mit welcher Partei ich das machen möchte und auch kann.

Aber die Arbeit im Bundeshaus würde Sie grundsätzlich reizen?
Nicht unbedingt. Ich würde gerne auch im Hintergrund Dossiers erarbeiten. Aber die Arbeit im Parlament stelle ich mir spannend vor. Sie bringt auch unglaublich viel Verantwortung mit sich – ausserdem muss man sich als Politikerin sehr exponieren.

Und das wäre Ihnen unangenehm?
Schon. Es ist vielleicht sogar ein Grund, weshalb ich so lange nichts gemacht habe. Mit meinem Engagement für die Veloaktion stand ich jetzt nur wenig im öffentlichen Interesse. Aber trotzdem habe ich gemerkt, dass man mich schnell auf meine Argumente festnagelt und in eine Schublade steckt.

Mussten Sie viele Streitgespräche führen?
Klar. Ich habe mit vielen Leuten geredet. Dabei habe ich auch gemerkt, dass nicht alle meine Freunde auf einer Linie sind. Manche finden sogar, AKWs seien unabdingbar. Da musste ich jeweils einen Weg finden, wie ich damit umgehen kann.

Wie wimmeln Sie jemanden ab, der Ihnen einen Vortrag hält?
Gar nicht. Es hilft einem ja auch: Mit jeder Diskussion wird man besser und weiss, wann welches Argument kommt. Mit der Zeit kann man da gut dagegenhalten.

Wenn es um AKWs geht, sind Sie also sattelfest?
Mittlerweile eher. Mit siebzehn war das noch anders.

Mit siebzehn?
Damals war ich bei den Jusos in der Stadt Bern. Ich kam mir bei den Treffen zumeist völlig überfahren vor. Ich hatte das Gefühl, die wissen alles besser und ich habe keine Ahnung. Aber jetzt kann ich mitdiskutieren.

Siegenthaler (25) ist Anti-AKW-Aktivistin und lebt in Bern. Am 11. September 2008 hat sie mit der Organisation «Nie wieder Atomkraftwerke» eine Veloaktion auf dem Bundesplatz organisiert.